Leih- und Pachtgesetz
Das Leih- und Pachtgesetz (englisch Lend-Lease Act, offiziell An Act to Promote the Defense of the United States – Ein Gesetz, um die Verteidigung der Vereinigten Staaten zu fördern) wurde vom US-Kongress am 18. Februar 1941 verabschiedet. Es ermöglichte den Vereinigten Staaten, kriegswichtiges Material wie Waffen, Munition, Fahrzeuge, Treibstoffe, Nahrungsmittel, Flugzeuge etc. an die gegen die Achsenmächte (Deutschland, Italien, Japan) kämpfenden Staaten zu liefern.
Großbritannien, die UdSSR, China und viele andere Staaten erhielten aufgrund des Leih- und Pachtgesetzes Güter in einem Gesamtwert von knapp 50 Milliarden US-Dollar (ohne Transportkosten). Das Programm lief im August 1945 aus.
Inhaltsverzeichnis
1 Das Gesetz
2 Leistungen
3 Zitat
4 Die Hilfslieferungen an das Britische Commonwealth
5 Hilfslieferungen an die Sowjetunion
5.1 Der persische Korridor
5.2 Alaska-Sibirien-Route
5.3 Ende der Lieferungen
5.4 Bilanz
6 Literatur
7 Weblinks
8 Einzelnachweise
Das Gesetz |
Das Gesetz, das von US-Präsident Roosevelt unterstützt wurde, ging auf eine direkte Initiative des britischen Premierministers Winston Churchill zurück und trat am 11. März 1941 in Kraft. Es besagte, dass der amerikanische Präsident „jeder Nation, deren Verteidigung er für die Vereinigten Staaten für lebenswichtig“ halte, jede Art von Waffen verkaufen, schenken oder vermieten durfte, sofern der Wert nicht 1,3 Mrd. US-Dollar in Summe überschritt. Damit wurden die Neutralitätsgesetze aufgehoben und eine schon seit Monaten geübte Praxis legalisiert, die den britischen Abwehrkampf gegen das Deutsche Reich in den besonders kritischen Monaten zwischen dem Sommer 1940 und dem Sommer 1941 entscheidend stärkte. Am 2. September 1940 wurden im Rahmen des Zerstörer-für-Stützpunkte-Abkommens 50 veraltete amerikanische 1200-Tonnen-Zerstörer als Gegenleistung für bis dahin britische Basen an die alliierten Regierungen übertragen.
Großbritanniens materielle und finanzielle Kräfte waren nach der Niederlage des Hauptverbündeten Frankreich im Juni 1940 weitgehend erschöpft. Die Möglichkeit, Kriegsschiffe und andere kostspielige Waffensysteme von den USA zunächst zu leihen oder zu leasen und erst später zu bezahlen, schuf in dieser Situation die dringend benötigte Abhilfe.
Das Gesetz galt zunächst nur für Großbritannien und die Staaten des Commonwealth, für die es 1943 noch einmal verlängert wurde. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion wurde es im Zeichen der Anti-Hitler-Koalition seit November 1941 auch auf dieses Land angewandt. Verstärkt in den Jahren 1942/1943 wurde die Sowjetunion über die Eismeerhäfen Murmansk und Archangelsk, über Wladiwostok am Pazifik sowie über den Persischen Korridor mit der Eisenbahnlinie von Bandar-e Schahpur (heute: Bandar-e Imam Chomeini) am Persischen Golf über Teheran nach Bandar Pahlawi (heute Bandar Anzali) am Südufer des Kaspischen Meeres in großem Umfang mit Kriegsgütern und Lebensmitteln aus den USA versorgt. In der Encyclopædia Britannica wird der Lend-Lease-Act als „praktisch eine Kriegserklärung“ der USA an Deutschland bezeichnet, auch Churchill bezeichnete die Maßnahme in seiner ersten Reaktion als eine solche.
Von den USA wurden über 400.000 Jeeps und LKW, 13.000 Lokomotiven und Güterwagen, 90 Frachtschiffe, 4000 Bomber, 10.000 Jagdflugzeuge und über 7000 Panzer an ihre sowjetischen Alliierten geliefert. Die Briten und Kanadier lieferten weitere 5000 Panzer und 7000 Flugzeuge.
Leistungen |
Empfängerland | Waren in Mio. US-Dollar | Empfängerland | Waren in Mio. US-Dollar |
---|---|---|---|
Britisches Commonwealth | 31 387,1 | Brasilien | 372,0 |
Sowjetunion | 10 982,1 | Mexiko | 39,2 |
Frankreich mit Kolonien | 3 223,9 | Chile | 21,6 |
China | 1 627,0 | Peru | 18,9 |
Niederlande mit Kolonien | 251,1 | Kolumbien | 8,3 |
Belgien | 159,5 | Ecuador | 7,8 |
Griechenland | 81,5 | Uruguay | 7,1 |
Norwegen | 47,0 | Kuba | 6,6 |
Türkei | 42,9 | Bolivien | 5,5 |
Jugoslawien | 32,2 | Venezuela | 4,5 |
Saudi-Arabien | 19,0 | Guatemala | 2,6 |
Polen | 12,5 | Paraguay | 2,0 |
Liberia | 11,6 | Dominikanische Republik | 1,6 |
Iran | 5,3 | Haiti | 1,4 |
Äthiopien | 5,3 | Nicaragua | 0,9 |
Island | 4,4 | El Salvador | 0,9 |
Irak | 0,9 | Honduras | 0,4 |
Tschechoslowakei | 0,6 | Costa Rica | 0,2 |
Insgesamt | 48 395,4 |
Zitat |
Präsident Roosevelt war immer darauf bedacht, seine Politik vor dem Volk und der Presse zu rechtfertigen. Für das Leih- und Pachtgesetz warb er mit folgender Erklärung:
„Wenn es bei meinem Nachbarn brennt, dann werde ich ihm selbstverständlich meinen Gartenschlauch leihen und nicht zu ihm sagen: ‚Herr Nachbar, der Schlauch hat $15 gekostet, Sie müssen mir jetzt die $15 zahlen.‘ … Ich will nicht die $15 – ich will meinen Gartenschlauch zurück, wenn Sie das Feuer gelöscht haben.“
Der Präsident sicherte sich so die Zustimmung der Bevölkerungsmehrheit, obwohl diese vor dem Angriff auf Pearl Harbor eher isolationistisch eingestellt war und eine direkte Kriegsbeteiligung der USA ablehnte.
Die Hilfslieferungen an das Britische Commonwealth |
Die Lieferungen im Rahmen des Leih- und Pachtgesetzes dürften ein sehr wichtiger Faktor beim Durchhalten des Britischen Empire und beim späteren Erfolg der Alliierten Streitkräfte gewesen sein. Insbesondere die 43 Zerstörer für die Royal Navy Großbritanniens und die sieben Zerstörer für die Royal Canadian Navy, die vollständig ausgerüstet und im einsatzbereiten Zustand übergeben wurden, benötigte man dringend. Die meisten dieser Zerstörer wurden zum Geleitschutz gegen deutsche U-Boote in der Atlantikschlacht eingesetzt, um die bedrohten kriegswichtigen Warenlieferungen über den Atlantik zu schützen.
So wurde allein in den Jahren 1943 bis 1944 ein Viertel der britischen Munition von den USA geliefert. Ein weiterer Schwerpunkt betraf die Bereitstellung von Flugzeugen, Lastkraftwagen und Schiffen sowie die Lieferung von Lebensmitteln für die Truppe. In vielen Fällen wurden die Logistik sowie ein Großteil der Transportkapazität sowohl mit Lastkraftwagen als auch mit Lokomotiven und Waggons über das Leih- und Pachtgesetz von den USA zur Verfügung gestellt.
Ein Großteil der Lieferungen umfasste allerdings Lebensmittel für die britische Zivilbevölkerung. Nach dem Ende des Krieges war Großbritannien vollständig abhängig von Lebensmittellieferungen aus den USA. Als am 29. August 1945 die USA die Lieferungen im Rahmen des Leih- und Pachtgesetzes einstellte, wurde John Maynard Keynes in die USA entsandt, um ein Darlehen („Anglo-American Loan“) auszuhandeln, mit dem die weiteren Lebensmittellieferungen aus den USA finanziert werden konnten. Ferner wurden sämtliche nach Großbritannien gelieferten Ausrüstungsgegenstände an Ort und Stelle belassen und zu einem Sonderpreis von 10 Prozent des eigentlichen Wertes an die Briten verkauft.[2] Des Weiteren stellten die USA, damals weltgrößter Produzent, 90 Prozent der Treibstoffversorgung der westlichen Alliierten.
Hilfslieferungen an die Sowjetunion |
Die Hilfslieferungen an die Sowjetunion stehen zwar mengenmäßig hinter den Lieferungen an die Briten zurück, dürften aber von nicht minderer Bedeutung gewesen sein.
Bereits unmittelbar nach dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion im Juni 1941 sicherte Roosevelt Stalin die Rüstungsunterstützung der USA zu (Hopkins-Mission). Stalin sandte eine Anforderungsliste zurück, was dazu führte, dass die USA und Großbritannien angesichts des Waffenbedarfs einen schnellen Zusammenbruch der sowjetischen Verteidigung befürchteten. Als Maxim Litwinow, stellvertretender Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten, im September 1941 bei einer Besprechung im Kreml mit Roosevelts Sonderbeauftragten Harriman die Liste der zugesagten amerikanischen Hilfslieferungen vor Augen sah, sprang er von seinem Stuhl auf und rief aus: „Jetzt gewinnen wir den Krieg!“[3].
Roosevelt trieb die Waffenhilfe massiv voran, und bereits im September trafen die ersten amerikanischen Militärflugzeuge in der Sowjetunion ein. Auf der Atlantik-Konferenz vom 14. August 1941 beschlossen Roosevelt und Churchill neben der Atlantik-Charta eine Ausweitung der Waffenlieferungen an Großbritannien und die Sowjetunion. Die USA weiteten das Gebiet, in dem sie mit ihrem bewaffneten Geleitschutz eigene Waffen-Transportkonvois vor deutschen Angriffen schützten, bis nach Island aus.
Ende 1941 stand die Sowjetunion kurz vor dem ökonomischen Kollaps. Die wichtigsten Industrie- und Landwirtschaftszentren des Landes, u. a. der „Brotkorb“ Ukraine und große Teile des Zentrums der Schwerindustrie, des Donezbeckens, das in der Bedeutung dem Ruhrgebiet für Deutschland gleichkam, waren besetzt. Zwar wurde ein großer Teil der Industrieanlagen Ende 1941 nach Osten evakuiert und so dem Zugriff der Wehrmacht entzogen, doch dauerte es noch bis zur ersten Jahreshälfte des Jahres 1942, bis die hinter dem Ural in den Weiten des Landes wiedererrichteten Werke den daraus resultierenden Produktionseinbruch ausgeglichen hatten.
Die Lebensmittelversorgung für 65 Millionen von den 130 Millionen Menschen in den verbliebenen Gebieten fiel aus. Die Zufuhr von Eisenerz, Kohle und Stahl fiel um 75 Prozent und die Versorgung mit kriegswichtigen Rohstoffen, wie Aluminium, Mangan oder Kupfer um mehr als zwei Drittel.
Vom einstmaligen Rohstoffreichtum verblieben nur noch Holz, Öl und Blei.[4]
An Waffensystemen erhielt die Sowjetunion von den USA u. a.:[5]
- 14.795 Flugzeuge
- 7056 Panzer
- 8218 Flakgeschütze
- 131.633 Maschinengewehre
- 105 U-Boot-Jäger
- 197 Torpedoboote
- 15,417 Millionen Paar Stiefel
Jahr | Menge (Mill. Tonnen) | in % |
---|---|---|
1941 | 360.778 | 2,1 |
1942 | 2.453.097 | 14 |
1943 | 4.794.545 | 27,4 |
1944 | 6.217.622 | 35,5 |
1945 | 3.673.819 | 21 |
Gesamt | 17.499.861 | 100 |
Der größte Teil der Lieferung kam aber nicht in Form von Waffen, sondern in Form von Nahrungsmitteln, Rohstoffen, Maschinen und Industrieausrüstungen. An Rohstoffen und Lebensmitteln erhielt die Sowjetunion u. a.:[7]
- 4,062 Millionen Tonnen Lebensmittel
- 2,54 Millionen Tonnen Stahl
- 728.000 Tonnen Nichteisenmetalle
- 764.000 Tonnen Chemikalien
- 2,42 Millionen Tonnen Petrochemikalien
An sonstigen Materialien wurde u. a. geliefert:[8][9]
- 77.900 Geländewagen Willys MB („Jeep“)
- 151.000 leichte Transportfahrzeuge
- 200.000 Studebaker US6-Lastkraftwagen
- 1,5 Millionen Kilometer Telefonkabel
- 35.000 Funkstationen
- 380.000 Feldtelefone
- 30 % aller Reifen
- 56 % aller Schienen
- 1/3 aller Sprengstoffe[10]
- 1900 Lokomotiven (Eigenproduktion 932 Loks)[11]
Eine Besonderheit war, dass die Amerikaner 90 Prozent des gesamten hochoktanigen Flugbenzins der Alliierten lieferten und 58 Prozent des gesamten hochoktanigen Treibstoffs der Sowjetunion. Ohne diese Treibstoffe waren leistungsfähige Flugzeuge nicht zu betreiben.
Stalin äußerte auf der Konferenz von Teheran:
„Dies ist ein Krieg der Motoren und der Oktanzahl. Ich erhebe mein Glas auf die amerikanische Autoindustrie und die amerikanische Ölindustrie.“[12]
Der größte Teil der Lieferungen erfolgte erst ab 1943, so dass während Schlacht von Stalingrad erst 5 % der sowjetischen Militärfahrzeuge aus Importen bestand.[13] Neben den USA lieferten auch Großbritannien und Kanada Material.
Die amerikanische Lieferungen waren auch eine Quelle für westliche Technologie, wobei die Amerikaner allerdings ihre modernsten Technologien zurückhielten. So lieferten sie beispielsweise die Amphibienflugzeuge PBN-1 und PBY-6a ohne Bombenwurfausrüstung für geringe Höhen, Feuerleitgeräte, Zielsuchgeräte und dem Hyberbel-Funknavigationsverfahren Loran, auch verweigerten sie sich dem sowjetischen Ansinnen Boeing B-17 und Boeing B-29 zu liefern.[14]
Während die Nordmeergeleitzüge den kürzesten Weg für alle Lend-Lease-Lieferungen darstellten, war die meistbefahrene Transportstrecke für das Leih- und Pachtmaterial für die Sowjetunion die pazifische Route, die von der amerikanischen Westküste zum russischen Hafen Wladiwostok führte. Insgesamt wurden auf diesem Transportweg 8,2 Millionen Tonnen oder 47,1 Prozent der gesamten Lend-Lease-Leistungen an die UdSSR befördert. Auf dieser Route wurden sowjetische Frachtschiffe eingesetzt, welche die Japaner unbehelligt ließen; nachteilig war die enorme Länge sowohl des See- und Landweges: von Wladiwostok mussten die Güter per Bahn durch den gesamten asiatischen Kontinent zum europäischen Kriegsschauplatz transportiert werden. Die Transsibirische Eisenbahn Wladiwostok-Moskau ist 9288 km lang.
Der persische Korridor |
Auch die dritte und wichtigste Route, die von amerikanischen Atlantikhäfen in der Regel um das Kap der Guten Hoffnung, seltener durch den Panamakanal und den Pazifik zum Persischen Golf führte, war nicht minder lang. Ein Geleitzug, der von den USA nach Basra oder Khorramschahr führte, benötigte für die ca. 14.500 Seemeilen lange Strecke 76 Tage; die Route über den Panamakanal betrug 17.700 Seemeilen. Etwa 23 Prozent der Schiffsladungen an die Sowjetunion zwischen 1942 und 1943 nahmen diesen Weg, und nach der Öffnung des Mittelmeeres gewann diese Route sogar die größte Bedeutung für die Nachschublieferungen, die für die UdSSR bestimmt waren. Ende August 1941 hatten die Sowjetunion und Großbritannien im Rahmen der Operation Countenance den Iran u. a. mit der Absicht besetzt, eine Versorgungslinie für die Sowjetunion vom Persischen Golf über den Iran zum Kaspischen Meer zu errichten. Am 2. August 1941 hatten die USA offiziell zugesagt, die Sowjetunion in den Kreis der zu unterstützenden Staaten einzubeziehen. Unmittelbar nach der Besetzung Basras wurde Stalin von Churchill bestätigt, dass britische Streitkräfte den Hafen ausbauen würden, um den Umschlag US-amerikanischer Lieferungen zu optimieren.
Bereits Anfang September fragte Churchill bei Hopkins an, ob die Amerikaner unter dem Leih- und Pachtprogramm Lokomotiven und Güterwagen zum Transport der Güter in die Sowjetunion bereitstellen könnten. Außerdem schlug er eine aktive Beteiligung der Amerikaner am Ausbau der iranischen Eisenbahnlinie und an den Straßen von Bandar-e Schapur, einem iranischen Hafen (heute Bandar-e Imam Chomeini), bis Bandar-e Schah (heute Bandar-e Torkaman), einem Hafen am Kaspischen Meer in unmittelbarer Nähe der sowjetischen Grenze, vor.
Am 27. September nahm tatsächlich eine amerikanische Militärmission ihre Arbeit im Iran auf. Sie sollte den britischen Truppen in technischen Fragen zur Seite stehen. Bald wurde offensichtlich, dass US-Techniker und -Spezialisten den Ausbau und die Gewährleistung der Sicherheit durch den persischen Korridor übernehmen sollten.
US-Ingenieure statteten den iranischen Hafen Khorramschahr an der Mündung des Schatt al-Arab mit Entladeeinrichtungen, Lagerräumen, Kais, Werften und Kränen aus. Das Hafenbecken wurde für die amerikanischen Lend-Lease-Transporte erweitert. Amerikaner bauten Straßen, auf denen amerikanische LKWs die Waren an die sowjetische Grenze transportieren sollten. Im Jahre 1942 errichteten amerikanische Fachleute in Abadan eine Montagehalle für den von den Sowjets dringend benötigten Flugzeugtyp Douglas A-20. Auch für die amerikanischen LKWs, speziell vom Typ Studebaker US6 (Katjuscha-Lafettenträger), die für die Rote Armee von besonderer Bedeutung waren, wurden Montagehallen gebaut.
Im Oktober 1942 übernahm das amerikanische Persian Gulf Command die Hauptverantwortung im Iran. Es ersetzte die britischen Truppen, die dringend an anderen Kriegsschauplätzen benötigt wurden. Insgesamt waren 30.000 amerikanische Soldaten, Ingenieure und Spezialisten damit beschäftigt, die Waffenlieferungen an die Sowjets durch den persischen Korridor zu tätigen. Im Mai 1943 steigerten sich die amerikanischen Lieferungen auf der persischen Route auf über 100.000 Tonnen monatlich und übertrafen bereits das Zehnfache der britischen. Die persische Route war vor allem für die Jahre 1943 und 1944 der ausschlaggebende Transportweg. 241 Schiffsladungen mit insgesamt 1,6 Millionen Tonnen Material im Jahre 1943 und 240 Schiffsladungen mit 1,7 Millionen Tonnen im Jahre 1944 wurden auf den von US-Streitkräften ausgebauten Straßen und Eisenbahnlinien geliefert. Von November 1941 bis Mai 1945 wurden insgesamt 646 Schiffsladungen mit 4,1 Millionen Tonnen an die UdSSR auf der persischen Nachschubroute verfrachtet, fast 25 Prozent des gesamten Materials, das an die UdSSR ging. Durch die Möglichkeit, einen großen Teil der Transporte auf die iranische Route zu verlegen, verringerten sich die durch deutsche Streitkräfte verursachten Verluste von 15 auf 2 Prozent.
Über den Indischen Ozean wurde nicht nur der Nachschub für die Sowjetunion geführt, sondern auch der gesamte Nachschub für National-China, der angelandet in Karatschi über das indische Eisenbahnnetz nach Assam rollte und von dort aus per Luftbrücke The Hump nach Yünnan in Westchina geflogen wurde, wo Generalissimo Tschiang Kai-shek sein Hauptquartier hatte. Anfang 1945 wurde die von 20.000 US-amerikanischen Soldaten und ca. 40.000 einheimischen Arbeitern für immense Kosten gebaute Ledo-Straße in Betrieb genommen, die die Luftbrücke allmählich ersetzte. Der reine Materialwert der Lieferungen, die für China bestimmt waren, lag bei mindestens 2 Mrd. USD.
Alaska-Sibirien-Route |
Über die Alaska-Sibirien-Route (ALSIB) wurden Flugzeuge auf dem Luftweg von US-Luftbasen in Alaska in die Sowjetunion überführt. Der Hauptweg führte vom Stützpunkt Ladd Field in Fairbanks, wo die Maschinen von sowjetischen Piloten übernommen wurden, über Nome und Anadyr nach Krasnojarsk, wo die Flugzeuge den Einheiten zugeteilt wurden. Entlang der Strecke wurden Zwischenstopps zum Auftanken eingerichtet. Die Planungen begannen im Winter 1941. Ab August/September 1942 wurden sowjetische Piloten und Mechaniker per Flugzeug nach Ladd Field eingeflogen und von amerikanischem Personal in die Handhabung der Flugzeuge eingewiesen. Die erste Maschine, eine B-25, wurde am 24. September 1942 überflogen. Aufgrund widriger Wetterverhältnisse, insbesondere der niedrigen Temperaturen und Winterstürme, kam es in der ersten Zeit nur sporadisch zu Überführungen. Erst ab Anfang 1943, als der Ausbau der Basen das notwendige Maß erreicht hatte und die nötigen Fachleute und Dolmetscher in ausreichender Zahl zur Verfügung standen, erfolgten die Übergaben regelmäßiger. Aufgrund des nahen Kriegsendes in Europa wurden ab April 1945 die Flüge von sowjetischer Seite aus merklich eingeschränkt. Im September wurde die Route schließlich eingestellt. Insgesamt wurden über die ALSIB 7926 Flugzeuge, davon 2618 P-39- und 2397 P-63-Jäger sowie 1363 A-20- und 732 B-25-Bomber nach Krasnojarsk überflogen. Die Gesamtlieferungen an Flugzeugen beliefen sich von US-amerikanischer Seite auf 14.795 Flugzeuge, davon erreichten 14.018 die UdSSR.
Ende der Lieferungen |
Das Lend-Lease-Programm endete für die Sowjetunion offiziell am 12. Mai 1945. Die Lieferungen wurden jedoch unter der „Milepost“ Übereinkunft bis zum Ende des Krieges mit Japan fortgeführt, an dem sich die Sowjetunion ab 8. August an der Seite der USA beteiligte. Nach der Kapitulation Japans am 2. September wurden die Lieferungen umgehend eingestellt. In den USA wurden bereits beladene Schiffe wieder entladen und Frachter, die sich schon auf hoher See befanden, wurden zurückbeordert. Die ursprünglich von Franklin D. Roosevelt und seinem Außenminister Edward Stettinius Jr. gehegte Intention, sich mit einer temporären Fortsetzung des Programms ein politisches Druckmittel gegenüber den Empfängerländern zu schaffen, konnte auf Grund inneramerikanischer Widerstände nicht realisiert werden.
Von amerikanischer Seite wurden im Anschluss Verhandlungen über mögliche US-amerikanische Kredite für den Wiederaufbau initiiert. Der Sowjetunion wurde in Aussicht gestellt, in den Kreis der durch den geplanten Marshallplan begünstigten Länder aufgenommen werden zu können. Allerdings verlangten die USA im Gegenzug, Einblick in interne Daten der sowjetischen Wirtschaft zu bekommen und die Verwendung von Hilfsgütern selbst überwachen zu können, was die Sowjetunion kategorisch ablehnte. Die Verhandlungen wurden nach der fünften Sitzung in Paris am 2. Juli 1946 abgebrochen, während Großbritannien von US-Präsident Truman am 15. Juli einen Kredit in Höhe von 3,5 Milliarden US-Dollar zugesprochen bekam. Der sowjetische Außenminister Molotow warf Frankreich und Großbritannien vor, ein Komplott mit den USA geschmiedet zu haben. Die drei Westalliierten gründeten daraufhin das Committee of European Economic Cooperation (CEEC), aus dem am 16. April 1948 die OEEC und 1961 die OECD wurde.[15]
Bilanz |
Die Sowjetunion erhielt aus den USA Waren im Wert von 9,8 Milliarden Dollar[16]
oder 17,8 Mio. Tonnen transportiert von 2803 Schiffen.[17] Umgekehrt lieferte die Sowjetunion insbesondere Rohstoffe wie Mangan- und Chromerze im Wert von 7,3 Milliarden Dollar an die USA. Der Rest der Schuld wurde auch in Gold bezahlt, siehe Versenkung der HMS Edinburgh (C16). Insgesamt erreichten die Waren, welche die Sowjetunion auch tatsächlich erhielt, lediglich 4 Prozent der Kriegsproduktion der Sowjetunion. Häufig entsprachen die Waffen nicht den speziellen Anforderungen der Front; es gab kaum Ersatzteile.[16]
Großbritannien lieferte in der zweiten Hälfte des Jahres 1941 große Mengen an Waren und Rohmaterialien.[18]
Als die Hilfe ab Sommer 1943 richtig in Gang kam, hatte die Sowjetunion mit der Schlacht von Stalingrad die Wende zwar bereits herbeigeführt, dies war allerdings nur unter Einsatz aller Reserven möglich, weil die sowjetische Kriegsführung wusste, dass sämtliche Materialverluste in nahezu beliebiger Höhe durch die Lieferungen aus den USA ersetzt werden würden.[19] Wie bedeutsam diese Lieferungen waren, war auch der deutschen Kriegsführung bewusst, wie ein Memorandum an Hitler aus dem Frühjahr 1942 zeigt: „In ihrem Bestreben, Russland zu unterstützen, werden Großbritannien und die Vereinigten Staaten jede Anstrengung unternehmen, die Verschiffung von Ausrüstung, Material und Truppen nach Russland so weit wie möglich zu steigern. Der Nachschub, der Russland über die Basra-Iran-Route erreichen wird, wird in den russischen Kaukasus und an die Front im Süden gehen. Alles britische und amerikanische Kriegsmaterial, das Russland über den Nahen Osten und den Kaukasus erreichen wird, ist für unsere Landoffensive von besonderem Nachteil. Jede Tonne Nachschub, die der Feind über den Nahen Osten liefert, bedeutet eine laufende Verstärkung des Kriegspotentials des Feindes, erschwert unsere Operationen im Kaukasus und stärkt die britische Position im Nahen Osten und in Ägypten.“[20] Insbesondere die Motorisierung der Roten Armee ab 1944 mit US-LKW verbesserte ihre Beweglichkeit entscheidend gegenüber der deutschen Wehrmacht. Es waren aber weniger die direkten Waffenlieferungen, die der Sowjetunion halfen, sondern eher Sekundärgüter wie Flugbenzin und Lebensmittel, die den Krieg verkürzten. Die USA lieferten mehr als die Hälfte des Bedarfs an hochoktanigem Flugbenzin an die Sowjetunion.
„Es steht fest, dass die Kriegswende in Stalingrad 1942 so nicht stattgefunden hätte ohne das „Leih- und Pacht“-System, und ebenso wenig der Vormarsch der Roten Armee durch die vormals besetzten Gebiete der Sowjetunion 1943/44 und durch Polen 1944/45.[21]“
Literatur |
- Hans-Joachim Mau, Hans Heiri Stapfer: Unter rotem Stern – Lend-Lease-Flugzeuge für die Sowjetunion 1941–1945. Transpress, Berlin 1991, ISBN 3-344-70710-8.
- Wolfgang Schlauch: Rüstungshilfe der USA 1939–1945. Bernard & Graefe, Koblenz 1985, ISBN 3-7637-5475-X.
Weblinks |
Commons: Leih- und Pachtgesetz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Lend Lease Act, 11 March 1941 (full text)
Sven Felix Kellerhoff: US-Militärhilfe – Stalins amerikanische Laster (Artikel über die Ausstellung „Zusammenarbeit für den Sieg“ im Deutsch-Russischen Museum Berlin-Karlshorst 2009), in: Die Welt, 24. April 2009.
Einzelnachweise |
↑ Wolfgang Schumann (et al.): Deutschland im Zweiten Weltkrieg. Akademie-Verlag, Berlin 1982, Bd. 3, S. 468.
↑ What's a little debt between friends?
↑ Laut den Erinnerungen von W. Averell Harriman gedruckt in: W. Averell Harriman: In geheimer Mission. Stuttgart 1979, S. 82.
↑ Richard Overy: Die Wurzeln des Sieges, Warum die Alliierten den Zweiten Weltkrieg gewannen, Stuttgart/München 2000, S. 236.
↑ Mark Harrison: Soviet Planning in Peace and War 1938–1945. Cambridge 1985, S. 258.eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche-USA
↑ Hans-Adolf Jacobsen: 1939–1945, Der Zweite Weltkrieg in Chronik und Dokumenten. Darmstadt 1961, S. 568.
↑ Harrison, ebenda.
↑ Overy, Wurzeln, S. 276.
↑ Richard Overy: Die Diktatoren. Hitlers Deutschland, Stalins Rußland. München 2005, S. 664.
↑ Norman Davies (Europa im Krieg, 2009, S. 68f.) nennt 345.735 Tonnen Sprengstoffe und als Quelle George C. Herring jr., Aid to Russia, 1941–46: Strategy, Diplomacy, the Origins of the Cold War (Columbia Studies in Contemporary American History), 1. Auflage 1973, ISBN 978-0-231-03336-7.
↑ Norman Davies (Europa im Krieg, 2009, S. 68f.) nennt 1981 Lokomotiven.
↑ Overy, Wurzeln, S. 300 f.
↑ Richard Overy: Russlands Krieg. Hamburg 2003, S. 302.
↑ MGFA (Hrsg.): Luftkriegsführung im Zweiten Weltkrieg. Ein internationaler Vergleich. Herford 1993, S. 255.
↑ Michael Wala: Winning the peace: amerikanische Außenpolitik und der Council on Foreign Relations, 1945–1950, Franz Steiner Verlag, 1990, ISBN 978-3-515-05334-1 (S. 148).
↑ ab Hans-Joachim Mau, Hans Heiri Stapfer: Unter rotem Stern – Lend-Lease-Flugzeuge für die Sowjetunion 1941–1945, Seite 63, Transpress, Berlin 1991, ISBN 3-344-70710-8.
↑ T. H. Vail Motter: The Persian Corridor and Aid to Russia. Center of Military History United States Army. 1952. S. 4.
↑ T. H. Vail Motter: The Persian Corridor and Aid to Russia. Center of Military History United States Army. 1952. S. 4.
↑ T. H. Vail Motter: The Persian Corridor and Aid to Russia. Center of Military History United States Army. 1952. S. 4.
↑ T. H. Vail Motter: The Persian Corridor and Aid to Russia. Center of Military History United States Army. 1952. S. 5.
↑ Sven Felix Kellerhoff: US-Militärhilfe – Stalins amerikanische Laster https://www.welt.de/kultur/article3618336/US-Militaerhilfe-Stalins-amerikanische-Laster.html Über die Ausstellung „Zusammenarbeit für den Sieg“ im Deutsch-Russischen Museum Berlin-Karlshorst 2009.