Landgrafschaft Hessen-Kassel
































































Banner of the Holy Roman Emperor with haloes (1400-1806).svg
Territorium im Heiligen Römischen Reich
Landgrafschaft Hessen-Kassel
Wappen

Wappen Landgrafschaft Hessen-Kassel (1736–1804)

Karte

HK 1789.png

Alternativnamen
Landgrafschaft Hessen-Cassel, Hessen-Kassel

Entstanden aus
bis 1567 Landgrafschaft Hessen

Herrscher/Regierung

Landgraf, ab 1803 Kurfürst

Heutige Region/en

DE-HE, DE-RP, DE-NI

Reichstag

Reichsfürstenrat: 1 Virilstimme auf der Weltlichen Bank, ab 1803 nominell Kurfürstenrat

Reichsmatrikel
aufgeteilt in Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt[1]

Reichskreis

Oberrheinischer Reichskreis wg. Personalunion mit Grafschaft Schaumburg auch Niederrheinisch-Westfälischer Reichskreis

Hauptstädte/Residenzen

Kassel

Dynastien

Hessen

Konfession/Religionen

reformiert und lutherisch

Sprache/n

Deutsch

Einwohner
450.000

Aufgegangen in
1813 (de facto) aufgegangen im Königreich Westphalen /1814 (in Rechtsnachfolge) Kurfürstentum Hessen




Die Landgrafschaft Hessen-Kassel (alte Schreibweise: Hessen-Cassel) war ein deutsches Reichsfürstentum im Heiligen Römischen Reich, von der älteren Linie des Hauses Hessen regiert.


Der Landgraf wurde 1803 zum Kurfürsten erhoben; bald darauf begann man, zur Abhebung von der 1806 durch Napoleon zum Großherzogtum Hessen erhobenen Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, die Bezeichnungen Kurfürstentum Hessen oder kurz Kurhessen für die vom Kurfürsten regierten Lande zu gebrauchen. Der Wiener Kongress 1815 sanktionierte die neue Bezeichnung. Das Land wurde Teil des Deutschen Bundes.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Geschichte


    • 1.1 Entstehung der Landgrafschaft


    • 1.2 Zeitalter der konfessionellen Spannungen (1567–1648)


    • 1.3 Konsolidierung (1648–1730)


    • 1.4 Katholischer Landgraf


    • 1.5 Siebenjähriger Krieg


    • 1.6 Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg


    • 1.7 Kurwürde


    • 1.8 Königreich Westphalen und Restitution als Kurfürstentum Hessen




  • 2 Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung


    • 2.1 Städte


    • 2.2 Land




  • 3 Regenten


  • 4 Wappen


  • 5 Siehe auch


  • 6 Literatur


  • 7 Weblinks


  • 8 Einzelnachweise





Geschichte |




Hessen-Kassel um 1720



Entstehung der Landgrafschaft |


Die Landgrafschaft Hessen-Kassel entstand 1567 durch eine Erbteilung der Landgrafschaft Hessen. In seinem Testament ordnete Landgraf Philipp I. an, Hessen unter seinen vier Söhnen der Hauptehe aufzuteilen.[2] Er opferte die Einheit des Landes somit familiären Erwägungen. Wilhelm IV., der als ältester Sohn Philipps I. ohne Teilungstestament Alleinerbe gewesen wäre, erhielt mit Hessen-Kassel etwa die Hälfte des Territoriums einschließlich der Hauptstadt Kassel. Aus den Territorien seiner drei Brüder entstanden Hessen-Marburg, Hessen-Rheinfels und Hessen-Darmstadt. Da die Linie Hessen-Rheinfels bereits 1583 in männlicher Erbfolge erlosch, wurde das Territorium zwischen Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt und Hessen-Marburg aufgeteilt. 1604 starb auch die Linie Hessen-Marburg aus, sodass nur die beiden Landgrafschaften Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt über einen längeren Zeitraum bestehen bleiben sollten. Erst mit der Gründung des Bundeslandes Hessen im Jahr 1945 konnte die Teilung Hessens überwunden werden.


In der Landgrafschaft Hessen-Kassel bildeten Landwirtschaft und Handwerk die wichtigsten Lebensgrundlagen. Um 1580 lebten in der gesamten Landgrafschaft rund 250 000 Menschen. Die Herrschafts- und Eigentumsverhältnisse beruhten noch auf dem mittelalterlichen Lehenswesen.[3] Für weltliche oder geistliche Grundherren mussten demnach Dienste und Abgaben geleistet werden. Die gesellschaftliche Stellung des Individuums wurde von der Geburt und dem familiären Besitzstand bestimmt. Als bedeutendste Grundherren bauten die Landgrafen ihre politische und wirtschaftliche Macht zunehmend aus. Durch ein entstehendes Beamtentum, Stehendes Heer und Verordnungen griffen die Landgrafen in viele Lebens- und Wirtschaftsbereiche der Bevölkerung massiv ein.



Zeitalter der konfessionellen Spannungen (1567–1648) |


Vor der Landesteilung von 1567 war die Landgrafschaft Hessen unter Philipp I. eine protestantische Vormacht im Heiligen Römischen Reich gewesen. Von hier aus waren entscheidende Impulse der Reformation wie das Marburger Religionsgespräch ausgegangen.[4] Durch die Aufteilung des Landes Hessen füllten die Rolle der protestantischen Führung die Kurfürstentümer von Brandenburg, Sachsen und der Pfalz aus. Um sich trotz der geschwächten Position gegenüber den katholischen Kaisern abzusichern, bemühte sich Landgraf Moritz I. um einen mächtigen Verbündeten außerhalb des Reiches: 1602 besuchte Moritz den französischen König Heinrich IV. in Paris.[5] Mit dem französischen Monarchen unterhielt der Landgraf einen engen Briefwechsel. Dessen Ermordung im Jahr 1610 veränderte das Kräfteverhältnis in Europa und schwächte abermals die Stellung des Landgrafen. 1611 gelang Moritz mit der Vermittlung eines Vertrages zwischen Brandenburg und Sachsen ein letzter diplomatischer Erfolg vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648).


Kurz vor Ausbruch des Dreißigjähriges Krieges war die Landgrafschaft innenpolitisch durch eine Bürokratisierung geprägt, die die Macht der Landgrafen erheblich stärkte. Mit der ersten statistischen Erfassung hessischer Orte in den Land- und Dorfbüchern der „Ökonomischen Staaten“ gelang es den Beamten und Räten von Landgraf Wilhelm IV. zwischen 1570 und 1585 Einnahmen und Ausgaben des Landes zu ermitteln.[6] Als Zentrum der landesherrlichen Verwaltung wurde der Renthof in der Residenzstadt Kassel ausgebaut. Landgraf Wilhelm IV. schuf mit dem zwischen 1578 und 1580 errichten Kanzleibau eigene Räumlichkeiten für Verwaltungs- und Regierungszwecke. Durch einen Verbindungsbau zwischen Stadtschloss und Kanzleigebäude wurde die direkte Kontrolle der Institutionen durch den Landgrafen ermöglicht. Unter dem Nachfolger Wilhelms IV. und zweiten Landgrafen von Hessen Kassel, Moritz, stieg der Hof in Kassel zu einem der bedeutendsten des Reiches auf. Theater, Musik und Alchemie blühten kurzzeitig auf. Dieser Entwicklung bereitete der Dreißigjährige Krieg (1618–1648) jedoch ein jähes Ende.


Nachdem der Dreißigjährige Krieg 1618 mit dem Prager Fenstersturz begonnen hatte, dehnte sich der zunächst regionale Konflikt auf das gesamte Heilige Römische Reich aus.[7] Unter der Besetzung des kaiserlichen Feldherren Johann T’Serclaes von Tilly erlitt die Bevölkerung der Landgrafschaft Hessen-Kassel Kampfhandlungen, Plünderungen, Vergewaltigungen und Morde durch Soldaten. Wegen der mangelnden hygienischen Bedingungen in den von Kriegsflüchtlingen überfüllten Städten, den einzigen befestigten Orten, breitete sich 1636 im ganzen Land die Pest aus. Allein in Kassel forderte die Pest 1400 Opfer. Bis Kriegsende verloren manche hessische Gegenden zwei Drittel ihrer Einwohner.


Landgraf Moritz geriet unter derartige militärische Bedrängnis, dass er auch politisch an Handlungsspielraum verlor. 1604, nach dem Aussterben der Linie Hessen-Marburg, hatte er die nördliche Hälfte des Landes geerbt und dort gegen den Willen des Testamentes von Landgraf Ludwig IV. von Hessen-Marburg den calvinistischen Glauben eingeführt.[8] Dies hatte zu einem Erbfolgestreit zwischen den beiden Landgrafschaften Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt, das die südliche Hälfte von Hessen-Marburg erbte, geführt. Beide Landgrafen beanspruchten die ganze ehemalige Landgrafschaft Hessen-Marburg für sich. Wegen der militärischen Unterstützung des Kaisers sprach Kaiser Ferdinand II. seinem Kriegsverbündeten Ludwig V. von Hessen-Darmstadt das gesamte Marburger Land zu. Aufgrund der Besetzung von Hessen-Kassel durch kaiserliche Truppen konnte Landgraf Moritz sich dem nicht verweigern. Hessen-Darmstadt gewann das gesamte Marburger Gebiet hinzu. In seiner Bedrängnis schloss Landgraf Moritz im Jahr 1630 als erster deutscher Fürst ein Bündnis mit dem schwedischen König Gustav Adolf, der auf protestantischer Seite gegen die kaiserlichen Truppen eingriff. Nach dem Tod Gustav Adolfs in der Schlacht bei Lützen wurde Hessen erneut zum Aufmarschraum kaiserlicher Truppen. Im sogenannten Hessenkrieg (1645–1648) gelang es, in den letzten drei Jahren des Dreißigjährigen Krieges die an Hessen-Darmstadt verlorenen Gebiete zurückzuerobern. 1643 regelte Landgräfin Amalie Elisabeth, einer geborenen Gräfin von Hanau-Münzenberg, mit Graf Friedrich Casimir von Hanau einen Erbvertrag des Inhalts abzuschließen, dass bei einem Aussterben des Hauses Hanau die Grafschaft Hanau-Münzenberg an Hessen-Kassel fallen sollte. 1736 starb mit Graf Johann Reinhard III. von Hanau der letzte männliche Vertreter des Hauses Hanau. Hanau-Münzenberg fiel daraufhin an Hessen-Kassel.


Der Dreißigjährige Krieg wurde im Jahr 1648 durch den Westfälischen Frieden beendet. Dieser sah vor, dass Hessen-Kassel das Gebiet der Abtei Hersfeld und einen Teil der ehemaligen Grafschaft Schaumburg erhielt. Der Calvinismus, die protestantische Glaubensrichtung der Landgrafen von Hessen-Kassel, wurde mit der evangelisch-lutherischen und katholischen Kirche gleichberechtigt.[9]


Die zeitgenössischen Weidenbaumtaler bringen die verheerende Lage in Hessen-Kassel, dem verwüsteten und zerstrittenem Land im Dreißigjährigen Krieg zum Ausdruck.



Konsolidierung (1648–1730) |


Hauptartikel für die Zeit von 1677–1730: Landgraf Karl von Hessen-Kassel


Die Heiratspolitik Landgraf Karls erreichte einen Höhepunkt, als Prinz Friedrich in zweiter Ehe Ulrike Eleonore, die Schwester des schwedischen Königs Karl XII., ehelichte. Als der schwedische Monarch am 11. Dezember 1718 kinderlos verstarb, war die Thronfolge ungeklärt. Die schwedischen Reichsstände bestimmten zunächst Ulrike Eleonore zur Königin von Schweden. Diese dankte jedoch im Jahr 1720 zugunsten ihres Gemahls Friedrich ab.[10] Mit seiner Wahl akzeptierte Friedrich eine Verfassung, die seine Befugnisse weitgehend einschränkte. In Schweden lag die Macht – zu der Zeit einzigartig in Europa – bei einem Ständeparlament, während der Monarch eine repräsentative Funktion einnahm.


In Hessen-Kassel dagegen herrschte Landgraf Karl als absolutistischer Monarch. Es gelang ihm, die Folgen des Dreißigjähriges Krieges, vor allem Entvölkerung, durch die Ansiedlung von Hugenotten und eine merkantilistische Wirtschaftsförderung zu überwinden. Mit prachtvollen Barockbauten wie dem Herkules, Oktogon und Kaskaden schuf er wesentliche Grundlagen für den späteren Bergpark Wilhelmshöhe. Zur Finanzierung nutzte er auch die Einnahmen aus Subsidien (Soldatenhandel) zum Beispiel im Jahr 1687 mit der Ausleihe von Truppen an die Republik Venedig zum Einsatz gegen die Osmanen[11], was von seinen Nachfolgern fortgesetzt wurde.





Abschnitt fehlen noch folgende wichtige Informationen:
Es fehlt das frühe 18. Jahrhundert – einschließlich der Personalunion mit Schweden vgl. Friedrich (Schweden)
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Katholischer Landgraf |


1749 konvertierte der Erbprinz Friedrich im Fürstbistum Paderborn zunächst heimlich vom reformierten zum römisch-katholischen Glauben. Diese persönliche Entscheidung wurde von seiner Familie auf das schärfste bekämpft. Friedrichs Vater Landgraf Wilhelm VIII., der in einer Regentschaft das Land regierte, verpflichtete seinen Nachfolger 1754 in einer Assekurationsakte, den evangelischen Glauben im Lande nicht anzutasten und Bündnisverpflichtungen vor allem gegenüber Preußen einzuhalten. Die Grafschaft Hessen-Hanau wurde von Hessen-Kassel abgetrennt und dem Sohn Friedrichs II., dem späteren Kurfürsten Wilhelm I. übertragen, wobei seine Mutter zunächst die Regentschaft für ihn ausübte.



Siebenjähriger Krieg |


Im Siebenjährigen Krieg kämpfte Hessen-Kassel auf alliierter Seite (Königreich Großbritannien, dem mit ihm in Personalunion verbundenen Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg, dem Königreich Preußen u. a. deutschen Kleinstaaten). Die protestantischen Alliierten begegneten dem katholischen Landgrafen bei dessen Amtsantritt 1760 mit höchstem Misstrauen, während die nach preußischem Vorbild ausgebildeten hessen-kasselschen Soldaten gegen die katholischen französischen Verbündeten Habsburgs erfolgreich kämpften.[12]


Der Siebenjährige Krieg brachte der Landgrafschaft große Not. Die mehrfachen Belagerungen der Landeshauptstadt Kassel, die zahlreichen Gefechte auf dem Territorium und vor allem die Plünderungen und Fouragierungen durch französische und alliierte Truppen bluteten seine Einwohner und die Infrastruktur des Landes aus.



Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg |


Während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges 1776–1783 hatte sich Hessen-Cassel vertraglich verpflichtet, Großbritannien 15 Regimenter, vier Grenadierbataillone, zwei Jägerkompanien und Artillerie zu überlassen.
Es wird geschätzt, dass Hessen-Cassel über 16.000 Söldner (andere Quellen: 12.000; 19.000) zur Verfügung stellte und davon 6.500 Mann verlor. Der spätere General Adam Ludwig Ochs schätzt, dass ca. 1.800 hessische Söldner getötet wurden. Viele andere entschieden sich dafür, nach dem Krieg in Amerika zu bleiben, oder liefen schlicht über. Auch gerieten etliche in Gefangenschaft, allein während der Schlacht von Yorktown wurden ca. 1.300 deutsche Söldner gefangen genommen.[13]
Da die überwiegende Mehrzahl der deutschen Hilfstruppen aus Hessen kam, wird in den USA das Wort „die Hessen“ häufig synonym für alle deutschen Söldner im Unabhängigkeitskrieg gebraucht.


Die damit verbundenen Geldeinnahmen des Landgrafen wurden zum großen Teil zur Finanzierung des geo-strategisch erforderlichen großen stehenden Heers und repräsentativer Anlagen genutzt sowie in die wissenschaftliche und künstlerische Entwicklung des Landes investiert. In diesem Zusammenhang sind besonders der Bergpark Wilhelmshöhe, das dortige Schloss Wilhelmshöhe, die Löwenburg und die Kunstsammlungen zu nennen, die den Kernbestand der heutigen Museumslandschaft Hessen Kassel bilden. Aber auch die versehrten Soldaten und deren Familien erhielten Zahlungen, und die Stiftung Unterneustädter Waisenhaus in Kassel konnte ihren aus diesen Zahlungen entstandenen Kapitalstock bis in die Inflation der 1920er Jahre nutzen (→ Soldatenhandel unter Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel). Zur gescheiterten Annexion der Grafschaft Schaumburg-Lippe 1787 im Bückeburgischen Streit siehe den Beitrag über Wilhelm Graf zu Schaumburg-Lippe.[14]



Kurwürde |


Gleichzeitig mit dem 1803 vollzogenen Reichsdeputationshauptschluss und der Säkularisation der geistlichen Herrschaften wurde der Landgraf von Hessen-Kassel zum Kurfürsten des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation erhoben. Daher wurde später die Bezeichnung Kurhessen oder Kurfürstentum Hessen für die Landgrafschaft Hessen-Kassel und die übrigen Herrschaftsgebiete des Landgrafen gebräuchlich. Gleichzeitig erwarb es die bis dahin kurkölnische Stadt Volkmarsen sowie das aus den vier kurmainzischen Enklaven Fritzlar, Naumburg, Amöneburg und Neustadt neu geschaffene Fürstentum Fritzlar.[15]



Königreich Westphalen und Restitution als Kurfürstentum Hessen |


Dem durch Napoleon dominierten Rheinbund trat Kurhessen nicht bei und versuchte neutral zu bleiben. Daraufhin besetzte Napoléon Bonaparte das Land und schlug es nach dem Frieden von Tilsit 1807 weitestgehend dem neu gebildeten Königreich Westphalen zu. Sein jüngster Bruder Jérôme bezog als dessen König Residenz in Kassel. Während der napoleonischen Besetzung kam es vergleichsweise früh und wiederholt zu verschiedenen Aufständen gegen die französische Regierung im besetzten Kurhessen. Die Grafschaft Hanau dagegen kam zuerst unter französische Militärverwaltung, später wurde sie Bestandteil des Großherzogtums Frankfurt. Jérôme floh 1813, und am 21. November des Jahres kehrte Kurfürst Wilhelm I. unter dem Jubel der Bevölkerung nach Kassel zurück:


„Hessen! Mit Eurem Namen nenne ich Euch wieder. Ihr hattet ihn, so wie den Namen der Deutschen, verloren; aber nicht die Treue und Anhänglichkeit an Euren Fürsten. […]“[16]

Die Kurwürde war bereits 1806 funktionslos geworden. Auf dem Wiener Kongress versuchte Wilhelm I. vergeblich, den nach dem germanischen Stammesnamen der Urhessen benannten Titel eines „Königs der Chatten“ zugestanden zu erhalten, aber es gelang ihm lediglich, den Titel „Kurfürst“ zu behalten und das Prädikat „königliche Hoheit“ zu erlangen. Hessen-Kassel blieb weiterhin „Landgrafschaft“.[17]


Ab 1815 kam das Territorium der vormaligen Reichsabtei Fulda als Großherzogtum Fulda zum kurhessischen Staat.


Kurhessen gehörte ab 1815 als Kurfürstentum Hessen dem neu geschaffenen Deutschen Bund an. Zum Gesamtstaat Kurhessen gehörten das Großherzogtum Fulda, hervorgegangen aus dem Fürstbistum Fulda, ferner die Fürstentümer Fritzlar, Hersfeld und Hanau. Weiterhin waren mehrere Exklaven Staatsteile von Kurhessen, so insbesondere die Grafschaft Schaumburg (um Rinteln) an der Weser (seit 1640) und die Herrschaft Schmalkalden (seit 1360/1583) im heutigen Thüringen, aber auch die fünf kleinen Exklaven Gericht Katzenberg (ab 1802/03), Amt Dorheim (1736–1806 und erneut ab 1816), Laubach (bis 1836), Barchfeld (als Teil der Herrschaft Schmalkalden) und Schöttlingen (als Teil der Grafschaft Schaumburg).


Die Titulatur des regierenden Fürsten lautete nunmehr: Kurfürst und souveräner Landgraf von Hessen, Großherzog von Fulda, Fürst zu Hersfeld, Fürst zu Hanau, Fürst zu Fritzlar und Fürst zu Isenburg, Graf zu Katzenelnbogen, Graf zu Dietz, Graf zu Ziegenhain, Graf zu Nidda, und Graf zu Schaumburg, etc., etc.



Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung |



Städte |





Kassel, Stadtansicht aus der Topographia Hassiae von Merian (1655)


Mit 4780 Einwohnern war die Residenzstadt Kassel im Jahr 1575 die größte Stadt innerhalb der Landgrafschaft, gefolgt von Schmalkalden mit 3940, Eschwege mit 3300 und Hofgeismar mit 2400 Personen.[18] Die Städte besaßen eine eigene Rechtsverfassung und verfügten- anders als die Dörfer- über das Mauer- und Marktrecht. Das Bürgerrecht war an die Führung eines eigenen Haushaltes gebunden und wurde somit nicht allen Einwohnern einer Stadt zugesprochen. Die Möglichkeit zur politischen Teilhabe im Stadtrat war abhängig von der sozialen Stellung bzw. dem materiellen Reichtum der Familie. Die städtische Eigenständigkeit wurde jedoch von den Landgrafen immer weiter eingegrenzt. So schrieb bereits die fürstliche Stadtordnung von 1572 vor, dass alle Beschlüsse des Stadtrates auch von dem am Ort eingesetzten Schultheiß befürwortet werden mussten. Auch die Zünfte, Zusammenschlüsse städtischer Handwerker, mussten von dem Landesherrn erst genehmigt werden. Zunftsbriefe regelten das wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenleben der Handwerker (Arbeitsbedingungen, Preise, finanzielle Unterstützungen bei schwerer Krankheit etc.).



Land |


Die von keiner Steinmauer umgebenden Dörfer bildeten- wie die Städte- einen eigenen Rechtsverband mit eigener Verwaltung. Das Amt des Dorfvorstehers, des sogenannten Grebe, hatte meist der wohlhabendste Bauer inne, während Personen ohne Land- und Hausbesitz nicht an den Gemeindeversammlungen teilnehmen durften. Die Häuser der ärmeren Dorfbewohner vereinten Stall und Wohnbereich unter einem Dach. Bis zum 19. Jahrhundert konnten Bauern nur eingeschränkt über das von ihnen bebaute Land verfügen, da es das Eigentum des jeweiligen Grundherren war.[3] Für diese mussten Frondienste geleistet werden. Daneben waren Naturalabgaben (z. B. den Zehnten an die Kirche) und Gebühren (z. B. Pacht, Steuer) die Regel. Bis zum Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) verdichtete sich die bäuerliche Bebauung auf dem Land.



Regenten |





























































Tabelle der Landgrafen von Hessen-Kassel (ab 1803 Kurfürsten)
Regierungszeit
Herrscher
Bemerkung
1567–1592


Landgraf Wilhelm IV., genannt der Weise

Wilhelms Jugend war geprägt von den konfessionellen Konflikten seines Vaters Philipp I. mit Kaiser Karl V. Nach der Gefangennahme Philipps 1547 trat Wilhelm als 15-jähriger in die Regierung ein. Gegen den Willen seines Vaters zog er in dem Fürstenaufstand von 1552 gegen den Kaiser zu Felde und setzte die Freilassung Philipps durch. Nach dem Tod Philipps I. von Hessen entstand durch Erbteilung die Landgrafschaft Hessen-Kassel. Auf Wilhelm IV. geht die Modernisierung der Verwaltung zurück.[6] Für die Erfassung der Einnahmen und Ausgaben des Staates wurden erstmals Einwohnerzählungen der Städte und Dörfer durchgeführt. Die Einführung der Kartoffel in Hessen wurde von dem Landgrafen angeordnet. Er beschrieb sogar deren Zubereitung und Geschmack. In die Geschichte ging er zudem als bedeutender Förderer der Astronomie ein. Die Instrumente seiner Sternwarte, die zu den frühesten ihrer Art zählen, sind heute in der Orangerie ausgestellt.
1592–1627


Landgraf Moritz, genannt der Gelehrte

Übertrug ein Viertel (Rotenburger Quart) des Landes an die Söhne seiner zweiten Frau, die damit die landgräflichen Nebenlinien Hessen-Rotenburg, Hessen-Wanfried und Hessen-Rheinfels (jüngere Linie) begründeten.
1627–1637


Landgraf Wilhelm V., genannt der Beständige

Starb als Reichsfeind von Kaiser und Reich geächtet.
1637–1663


Landgraf Wilhelm VI.


Nach dem Tod Wilhelms V. übernahm dessen Witwe Amalie Elisabeth die Regentschaft vormundschaftlich für ihren Sohn Wilhelm VI. Am 25. September 1650 übergab die Landgräfin das Amt dem volljährigen Sohn.
1663–1670 Wilhelm VII. Nach dem Tode Wilhelms VI. regierte seine Witwe Hedwig Sophie das Land bis zur Volljährigkeit ihrer Söhne Wilhelm und Karl. Wilhelm starb noch vor der Übernahme der Regierungsgeschäfte und wurde von seinem Bruder Karl beerbt.
1670–1730


Landgraf Karl

Zunächst regierte fünf Jahre lang seine Mutter vormundschaftlich.
1730–1751



Friedrich I.

Ab 1720 König von Schweden; de facto regierte deshalb sein jüngerer Bruder, Wilhelm VIII.
1751–1760


Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen

Regierte ab 1730 als Statthalter seines Bruders.
1760–1785


Landgraf Friedrich II.


Konvertierte heimlich zum katholischen Glauben. Vergrößerte das Heer beträchtlich und ließ für Subsidienzahlungen 1776–1784 auf Seiten Englands 12.000 Mann gegen die nordamerikanischen Kolonien kämpfen.
1785–1821


Landgraf Wilhelm IX.

Regierte bereits ab 1760 in der Grafschaft Hanau, bis 1764 durch seine Mutter, Landgräfin Maria als Vormund. Er erhielt 1803 mit dem Reichsdeputationshauptschluss die Kurfürstenwürde und wurde Kurfürst Wilhelm I. Musste von 1807 bis 1813 dem napoleonischen Königreich Westphalen weichen.


Wappen |



  • Herzschild: in Blau ein von Silber und Rot zehnfach geteilter, golden gekrönter und bewehrter Löwe. (Landgrafschaft Hessen)

  • Hauptschild: zweimal geteilt, oben und in der Mitte gespalten, unten zweimal gespalten




  1. Fürstentum Hersfeld (ehemalige Abtei, 1648 an Hessen): in Silber ein rotes Patriarchenkreuz.


  2. Grafschaft Ziegenhain (1450 an Hessen): von Schwarz über Gold geteilt, oben ein sechsstrahliger, silberner Stern.


  3. Grafschaft Katzenelnbogen: (1479 an Hessen): in Gold ein blau gekrönter, roter Löwe.


  4. Grafschaft Diez: (1479 an Hessen): in Rot zwei schreitende goldene Leoparden übereinander.


  5. Grafschaft Nidda: (1450 an Hessen): von Schwarz über Gold geteilt, oben zwei achtstrahlige silberne Sterne.


  6. Fürstentum Hanau (1736 erhalten nach Aussterben der Grafen von Hanau): Ein geviertes Feld, welches mit einem Herzschild belegt ist.

    1. Der Herzschild ist von Rot über Gold geteilt (Herrschaft Münzenberg).

    2. Feld 1 und 4: In Gold drei rote Sparren übereinander (Grafschaft Hanau),

    3. Feld 2 und 3: Achtfach von Rot und Gold geteilt (Grafschaft Rieneck).




  7. Grafschaft Schaumburg (1648 an Hessen): In Rot ein von Silber über Rot geteiltes Schildchen umgeben von einem silbernen Nesselblatt.



Siehe auch |



  • Liste der hessen-kasselschen Regimenter der Frühen Neuzeit

  • Landgrafschaft Hessen-Darmstadt

  • Kurfürstentum Hessen

  • Großherzogtum Hessen



Literatur |




  • Karl Ernst Demandt: Geschichte des Landes Hessen. Bärenreiter Verlag, Kassel 1972, ISBN 3-7618-0404-0.


  • Philipp Losch: Kurfürst Wilhelm I., Landgraf von Hessen. Ein Fürstenbild aus der Zopfzeit. Elwert, Marburg 1923.


  • Gregory W. Pedlow: The landed elite of Hesse-Cassell in the nineteenth century. In: Ralph Gibson, Martin Blinkhorn (Hrsg.): Landownership and Power in Modern Europe. HarperCollins Academic, London u. a. 1991, ISBN 0-04-940091-6, S. 111 ff.



Weblinks |



 Commons: Landgrafschaft Hessen-Kassel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


 Wikisource: Topographia Hassiae – Quellen und Volltexte


  • Der wohlgeordnete Policey-Staat. Der Absolutismus in einem deutschen Kleinstaat und die Auswirkungen der Französischen Revolution von Margret Lemberg, neu hg. von Reinhard Neebe bei digitales Archiv Marburg

  • Statistische und geschichtliche Informationen zu Hessen-Kassel bei HGIS

  • Historische Kartenwerke des Kurfürstentums Hessen im Landesgeschichtlichen Informationssystems Hessen (LAGIS)

    • Sammelwerk Kurfürstentum Hessen: 1840–1861


    • „Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt 1604–1638“. Geschichtlicher Atlas von Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).


    • „Hessen-Kassel 1567–1866“. Geschichtlicher Atlas von Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).





Einzelnachweise |




  1. Hessen / Landgrafen / geben mit einander 50. zu Roß / 260. zu Fuß / oder an Gelt 1640. fl. Davon in der Nürnbergischen Repartition 1093. fl. 20 Kr. der Casselischen; vnd 546. fl. 40. Kr. der Darmstättischen Lini / zugerechnet worden. zit. nach Verzeichnuß / Deß Heyl: Römischen Reichs / Teutscher Nation / Hochlöblichster: Hoch: und Wol-löblicher Stände / nach den Zehen Reichs-Craissen /


  2. Herbert Rosendorfer, Gert Heidenreich: Deutsche Geschichte – Ein Versuch. Band VIII: Das Jahrhundert des Prinzen Eugen. Herbig, München 2009, ISBN 978-3-7844-4190-0, S. 16. 


  3. ab Barbara Stollberg-Rilinger: Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation: Vom Ende des Mittelalters bis 1806. Beck, München 2006, ISBN 3-406-53599-2, S. 18. 


  4. Hans Schneider: Philipp der Großmütige und die Reformation in Hessen: gesammelte Aufsätze zur hessischen Reformationsgeschichte (= Quellen und Darstellungen zur Geschichte des Landgrafen Philipp des Großmütigen. Band 7). Elwert, Marburg 1997, ISBN 3-7708-1092-9, S. 38. 


  5. Jutta Bäumel: Moritz der Gelehrte.: Ein Renaissancefürst in Europa. S. 127. 


  6. ab Evangelische Geistlichkeit in der Frühneuzeit. Deren Anteil an der Entfaltung frühmoderner Staatlichkeit und Gesellschaft: dargestellt am Beispiel des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel, der Landgrafschaft Hessen-Kassel und der Stadt Braunschweig. In: Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte. Band 62. Kaiser, Gütersloh 1996, ISBN 3-579-01730-6, S. 47. 


  7. Gerhard Petri: Das Militärwesen von Hessen-Kassel in der Zeit Landgraf Wilhelms V. und der Landgräfin Amalie Elisabeth 1627–1649. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn 1996, S. 128. 


  8. Fritz Rudolf Künker: 300 Raritäten aus Hessen, Die Sammlung Mercator. 2012, S. 101. 


  9. Veit-Jakobus Dieterich: Martin Luther: Sein Leben und seine Zeit. dtv Verlagsgesellschaft, 2017, ISBN 978-3-423-43136-1, S. 121. 


  10. Barbara Beck: Die großen Herrscherinnen und Regentinnen: Vom Frühmittelalter bis in die Gegenwart. Marix-Verl., Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-86539-978-6, S. 98. 


  11. Hans Philippi: Landgraf Karl von Hessen-Kassel, 1654–1730. 1980, ISBN 978-3-87822-079-4, S. 12. 


  12. Das Misstrauen gegenüber dem katholischen Friedrich lag auch beim alliierten Oberkommandierenden Ferdinand von Braunschweig tief: „Ich kann […] kann nicht vorenthalten, daß der Landgraf von Hessen beständig gegen jede Belagerung protestiert hat, und hege den Verdacht, daß sein Ministerium unter der Hand die völlige Vollendung der Festungswerke [von Kassel] absichtlich verhindert hat.“ Vgl. Brief an Robert d’Arcy, Erl of Holdernesse vom 1. August 1760. In: Gedenkschrift anläßlich des 200. Jahrestages der Schlacht bei Warburg am 31. Juli 1760, S. 31.


  13. Max von Eelking: Die Deutschen Hülfstruppen im nordamerikanischen Befreiungskriege. Hannover 1863. (Englische Übersetzung von 1893: The German Allied Troops in the North American War of Independence, 1776–1783. im Textarchiv – Internet Archive).


  14. Winfried Dotzauer: Die deutschen Reichskreise (1383–1806). Steiner, Stuttgart 1998, ISBN 3-515-07146-6, S. 330 (books.google.com). 


  15. Volker Knöppel: Der Reichsdeputationshauptschluß 1803 und das Ende der geistlichen Herrschaft im nördlichen Hessen. In: Jahrbuch der hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung, Bd. 55 (2004), S. 129 ff.


  16. Beginn der Proklamation des Kurprinzen vom 5. November 1813, zitiert nach: C. Renouard.


  17. Günter Hollenberg: Kurhessen als Wiedergänger – Der Kurhessenbegriff seit dem Ende des Kurstaats. In: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, Band 108, Kassel 2003, ISSN 0342-3107, S. 49–58.


  18. Manfred Lasch: Untersuchungen über Bevölkerung und Wirtschaft der Landgrafschaft Hessen-Kassel und der Stadt Kassel: vom 30 jährigen Krieg bis zum Tode Landgraf Karls 1730 : ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Merkantilismus. S. 68. 


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