Peer (Adel)
Ein Peer (vom lat. par „gleich, ebenbürtig“; franz. Pair) ist ein Angehöriger des britischen Hochadels.
Der als peerage bezeichnete Adelsstand ist ein System von Adelstiteln, das es nur noch im Vereinigten Königreich gibt (siehe auch Pair von Frankreich). Die peerage ist ein Teil des gesamten britischen Auszeichnungswesens. Historisch bezeichnete man die Adeligen, die das Recht auf einen Sitz im britischen Oberhaus (House of Lords) hatten, als peers. Ihre Familienangehörigen sind de jure keine Adeligen, obwohl die Ehefrauen der Peers traditionell peeress genannt werden. Das ist ein grundlegender Unterschied zum Adel auf dem europäischen Festland, wo die Titel eher ganzen Familien als Einzelpersonen verliehen werden und wo es durchaus möglich ist, dass mehrere Familienmitglieder gleichzeitig denselben Titel führen.
Der britische Adel enthält neben der peerage auch den niederen Adel, darunter knightage und baronetage (z. B. Sir Walter Scott, Bt.) und den Landadel der landed gentry (z. B. Cromwell und Washington).
Inhaltsverzeichnis
1 Die verschiedenen Titel und ihre Rangfolge
2 Höflichkeitstitel (courtesy titles)
3 Die Peerswürde heute
4 Der Verlust der Peerswürde
5 Literatur
6 Weblinks
7 Einzelnachweise
Die verschiedenen Titel und ihre Rangfolge |
Es wird zwischen den life peers (auf Lebenszeit) und den hereditary peers (erblicher Titel) unterschieden, wobei heute die erstgenannten Peers die große Mehrheit bilden. Die Titel im englischen Peer-System sind in aufsteigender Rangfolge: baron[1] (baroness für Frauen), viscount (viscountess), earl (countess), marquess (marchioness, in Schottland ist das männliche Pendant ein marquis) und duke (duchess), zu Deutsch etwa: Freiherr, Vizegraf, Graf, Markgraf, Herzog. Die britischen Peers werden auch gemeinhin als Lords bezeichnet. Die jeweilige Ansprache für einen Lord ist The Right Honourable (z. B. The Rt. Hon. Earl of Hopetoun). Der Duke (Herzog) ist Seine Gnaden (His Grace). Die jeweiligen Titel werden nach dem Muster Rang Name, wenn der Name ein Personenname ist, (z. B. Viscount Beresford), oder Rang von Name, wenn er ein Ortsname ist, was z. B. bei allen Dukes der Fall ist, (z. B. Duke of Marlborough), gebildet.
Dass die Peers zugleich Herren der ihrem Titel zugehörigen Ländereien sind, ist schon seit dem Mittelalter nicht mehr der Fall. Oft gehören diese Ländereien nicht einmal mehr zum Vereinigten Königreich. So ist zum Beispiel der Duke of Cornwall der einzige seines Standes, der noch zugehörige Ländereien auf den britischen Inseln hat (das Herzogtum Cornwall). Die Art der Weitergabe eines Adelstitels, abgesehen von den Life Peers (Peers auf Lebenszeit), ist verschieden. Sie hängt von der Art seiner ursprünglichen Einsetzung ab. Meistens werden sie nur in der direkten männlichen Linie vererbt und erlöschen beim Fehlen eines Sohnes, aber in manchen Fällen, vor allem bei vielen schottischen Titeln, können sie in Ermanglung männlicher Erben auch über die Töchter weitergegeben werden. Erloschene Titel können von der Krone zu einem späteren Zeitpunkt neu vergeben werden. Ein Peer kann mehrere Titel zugleich innehaben; er wird dann mit dem ranghöchsten Titel angesprochen.
Es gibt mehrere Gruppen von Adelstiteln im Vereinigten Königreich: Zum englischen Adel (Peerage of England) gehören alle Titel, die von den englischen Königen und Königinnen vor dem Act of Union im Jahr 1707 eingerichtet wurden, einschließlich der wenigen walisischen Titel. Analog dazu gehören zum schottischen Adel (Peerage of Scotland) alle Titel, die vor diesem Datum von den schottischen Monarchen verliehen wurden. Der irische Adel (Peerage of Ireland) vereint alle Titel des Königreichs Irland vor 1801, und zum großbritannischen Adel (Peerage of Great Britain) gehören die Titel, die zwischen 1707 und 1801 in England und Schottland verliehen wurden. Alle Adelstitel, die nach 1801 vergeben wurden, bilden den Adel des Vereinigten Königreichs (Peerage of the United Kingdom).
In der Rangfolge kommt der Duke vor dem Marquess, der Marquess vor dem Earl, der Earl vor dem Viscount und dieser vor dem Baron. Innerhalb der Adelsränge bestimmt sich der Vorrang folgendermaßen: englischer Adel, schottischer Adel, großbritannischer Adel, irischer Adel, Adel des Vereinigten Königreichs; jede Gruppe ist in sich wiederum abgestuft nach dem Alter des Titels. Alle Inhaber dieser Titel waren Mitglieder des Oberhauses (House of Lords), mit Ausnahme der irischen Peers, die bis 1922 aus ihren Reihen eine Abordnung wählten.
In früherer Zeit hatten die Peers eine Vielzahl von Privilegien inne: sie durften nur wegen Verrats an der Person des Königs angeklagt werden, wobei die Gerichtsbarkeit für Peers ausschließlich bei den Lordrichtern des House of Lords lag und die Anwendung der Folter auf die Peers zur Erlangung eines Geständnisses verboten war. Sie konnten im Zuge solcher Prozesse auch zum Tode verurteilt werden, jedoch wurde das bei Hochverrat stets auf Hängen, Ausweiden und Vierteilen lautende Todesurteil üblicherweise nur durch Enthauptung vollstreckt (eines der bekanntesten Beispiele hierfür ist Thomas Wentworth, 1. Earl of Strafford).
Höflichkeitstitel (courtesy titles) |
Wie oben schon erwähnt, sind die Familienangehörigen britischer Adeliger keine Adeligen, sondern werden zu den Commoners (Bürgerlichen) gezählt. Ihre Kinder erhalten zwar Höflichkeitstitel (courtesy titles), bleiben aber solange Bürgerliche – und damit auch wählbar für das Unterhaus – bis sie selbst einen substanziellen Adelstitel (z. B. durch Erbschaft) erhalten. Hat ein Duke, Marquess oder Earl (Söhne von Viscounts und Baronen haben dieses Vorrecht nicht) einen ältesten Sohn, erhält der Sohn den nächstniedrigeren Titel des Vaters. Hat der Sohn wiederum männliche Kinder, erhält der älteste Sohn den zweitniedrigeren Titel des Großvaters und immer so weiter, bis alle Titel aufgebraucht sind. Sind mehrere nächstniedrigere gleichrangige Titel vorhanden, bestimmt die Familientradition, welcher vom Sohn geführt wird. Höflichkeitstitel sind aber keine substanziellen Adelstitel (peer on his/her own right), sondern nur Anreden.
Hat zum Beispiel der Duke of Wellington einen ältesten Sohn, führt dieser den Titel Marquess of Douro. Hat dieser wieder einen ältesten Sohn, erhält dieser den Höflichkeitstitel Earl of Mornington. Dessen ältester Sohn führt dann den Höflichkeitstitel eines Viscount Wellesley. Aber auch die anderen Kinder der Peers erhalten Höflichkeitstitel. Die jüngeren Söhne der Dukes und Marquesses (einschl. der Höflichkeits-Marquesses) erhalten den Titel Lord Vorname Nachname und die Töchter der Dukes, Marquesses und Earls (oder Höflichkeits-Marquesses resp. -Earls) in gleicher Weise den Titel Lady. Jüngere Söhne der Earls und alle Söhne der Viscounts und Barone tragen die Bezeichnung The Honourable (Der Ehrenwerte), meist abgekürzt Hon., vor ihrem Namen, was sie als Angehörige eines Hauses mit Peersrang erkennbar macht.
Im Gespräch unter Dritten werden die Dukes und Duchesses als „Duke of N.“ bzw. „Duchess of N.“ bezeichnet (und mit Your Grace angeredet), während die Inhaber anderer Titel unterschiedslos als „Lord bzw. Lady N.“ bezeichnet und mit Mylord/Mylady und von Bediensteten "Your Lordship/Ladyship" (Eure Lordschaft/Ladyschaft) angesprochen werden.
Die Peerswürde heute |
1963 wurde ein Gesetz verabschiedet (Peerage Act), das es Trägern erblicher Adelstitel erlaubt, auf ihren Titel zu verzichten. Von dieser Möglichkeit wurde Gebrauch gemacht, wenn die Inhaber einen Sitz im britischen Unterhaus (House of Commons) anstrebten: Prominente Beispiele sind der Viscount Stansgate (Tony Benn), der Earl of Home (Sir Alec Douglas-Home) und der Viscount Hailsham (Quintin Hogg). Die beiden Letztgenannten zogen allerdings später wieder ins Oberhaus ein, weil sie zu Peers auf Lebenszeit ernannt wurden. Die Nachkommen der Peers, die auf ihren Titel verzichtet haben, erhalten die Peerswürde nach dem Tode des ursprünglichen Inhabers zurück. Da Irland seit 1922 nicht mehr Mitglied des Vereinigten Königreichs ist, können die Mitglieder des irischen Adels von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen; das Gesetz gilt nicht für sie.
In den letzten Jahren wurden von der Krone nur noch die auf dem Life Peerages Act von 1958 beruhenden Peers auf Lebenszeit (Life Peers, ausschließlich Barone und Baronessen) ernannt. Diese Peers sind den herkömmlichen Peers gleichgestellt, können aber ihren Titel nicht vererben. 1999 wurde das House of Lords reformiert und die meisten (750) der erblichen Sitze wurden abgeschafft. Seither setzt sich das Oberhaus zusammen aus den Life peers, zwei Peers, deren Titel dauerhaft mit Staatsämtern bezüglich des Oberhauses verbunden sind (Earl Marshal und Lord Great Chamberlain), 26 Bischöfen der Kirche von England (Lords Spiritual) und 90 Erb-Peers (Hereditary Peers), die von ihren (ansonsten nicht mehr stimmberechtigten) Standesgenossen auf Lebenszeit gewählt wurden. Die Ämter der Law Lords im Oberhaus wurden mit der Einrichtung des Britischen Obersten Gerichtshofes im Jahr 2009 abgeschafft.
Nicht alle britischen (Adels-)Titel sind mit der Peerswürde verbunden: Knights und Baronets (Titel: Sir, Dame) sind keine Peers. Auch (königliche) Prinzen und Prinzessinnen sind keine Peers; es sei denn, ihnen wurde zusätzlich noch ein Peerstitel verliehen (das ist nicht immer ein Dukedom – Herzogtum – Prince Edward etwa ist lediglich Earl of Wessex). Verschiedene Dukedoms (z. B. Cornwall, Cambridge, York, Kent, Gloucester, Lancaster, Clarence, Strathearn, Cumberland usw.) sind der königlichen Familie und ihren Seitenlinien vorbehalten.
Der Verlust der Peerswürde |
Ein britischer Adelstitel erlischt (becomes extinct), wenn alle (männlichen) Nachkommen des ersten Inhabers ausgestorben sind, in Schottland ist teils auch eine Weitervererbung über die weibliche Linie möglich. Ein Titel ruht (becomes dormant), solange nicht klar ist, wer der neue Inhaber sein soll. Der Titel bleibt in der Schwebe (comes into abeyance), wenn es mehrere gleichberechtigte Erben gibt. Das kommt z. B. bei bestimmten Titeln des älteren englischen Adels vor, wo die Töchter gleichberechtigt sind, wenn es keinen männlichen Erben gibt. Die Dukedoms Cumberland und Albany sind seit 1919 ausgesetzt (suspended), weil ihre damaligen Inhaber während des Ersten Weltkriegs auf österreichischer bzw. deutscher Seite kämpften. In der Geschichte kam es auch vor, dass Titelinhaber ihre Würde durch Hochverrat verwirkt (forfeit) haben.
Wird ein Titelinhaber König, verschmilzt der Titel mit der Krone (merge in the crown), er hört auf zu existieren, bis er erneut vergeben wird. Da die Peerswürde Gleichrangigkeit impliziert und nicht einen dem Monarchen zukommenden höheren Rang, kann ein König oder eine Königin nicht Peer sein.
Ein Sonderfall ist das Herzogtum Cornwall. Der Titel gilt, wenn er nicht in Gebrauch ist, als an die Krone verfallen (lapse to the crown). Das bedeutet, dass er zwar existiert, aber von niemandem getragen wird. Er wird auch nicht direkt vererbt. Er steht dem ältesten Sohn des Monarchen als feststehendem Nachfolger (heir apparent) zu. Mit Erreichen der Volljährigkeit wird er daneben zum Prince of Wales ernannt.
Literatur |
- Arthur Collins: The Peerage of England, containing a genealogical and historical account of all the peers of England. 2 Bände, Innys, London 1741.
- Band 1 Digitalisat
- Band 2 Digitalisat
- Band 1 Digitalisat
- John Burke: A genealogical and heraldic dictionary of the peerage and baronetage; together with memoirs of the privy councillors and knights. Harrison, London 1843–1937. Digitalisat
Weblinks |
- The Ranks and Privileges of the Peerage
Einzelnachweise |
↑ Begriffserläuterung: Baron, parliament.uk (engl.) Abgerufen am 9. Dezember 2012.