Statistik








Statistik „ist die Lehre von Methoden zum Umgang mit quantitativen Informationen“ (Daten). Sie ist eine Möglichkeit, „eine systematische Verbindung zwischen Erfahrung (Empirie) und Theorie herzustellen“.[1] Unter Statistik versteht man die Zusammenfassung bestimmter Methoden zur Analyse empirischer Daten. Ein alter Ausdruck für Statistik war Sammelforschung. Die Statistik wird als Hilfswissenschaft von allen empirischen Disziplinen und Naturwissenschaften verwendet, wie zum Beispiel der Medizin (Medizinische Statistik), der Psychologie (Psychometrie), der Politologie, der Soziologie, der Wirtschaftswissenschaft (Ökonometrie), der Biologie (Biometrie), der Chemie (Chemometrie) und der Physik. Die Statistik stellt somit die theoretische Grundlage aller empirischen Forschung dar. Da die Menge an Daten in allen Disziplinen rasant zunimmt, gewinnt auch die Statistik und die aus ihr abgeleitete Analyse dieser Daten an Bedeutung. Andererseits ist die Statistik ein Teilgebiet der reinen Mathematik. Das Ziel der reinen mathematischen Statistik ist das Beweisen allgemeingültiger Aussagen mit den Methoden der reinen Mathematik. Sie bedient sich dabei aus Erkenntnissen der mathematischen Grundlagendisziplinen Analysis und linearer Algebra.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Etymologie


  • 2 Einführung


  • 3 Geschichte


    • 3.1 Amtliche Statistik


    • 3.2 Universitätsstatistik


    • 3.3 Politische Arithmetik


    • 3.4 Wahrscheinlichkeitsrechnung




  • 4 Schritte der praktischen Umsetzung der Statistik


    • 4.1 Planung


    • 4.2 Erhebung


    • 4.3 Aufbereitung


    • 4.4 Analyse


    • 4.5 Interpretation




  • 5 Informationsgehalt und -bewertung


  • 6 Schulen und Denkrichtungen


  • 7 Anwendung


  • 8 Ausbildung


  • 9 Software


  • 10 Bedeutende Statistiker


  • 11 Literatur


  • 12 Weblinks


  • 13 Einzelnachweise





Etymologie |


Das Wort Statistik stammt von lateinisch statisticum „den Staat betreffend“ und italienisch statista Staatsmann oder Politiker, was wiederum aus dem griechischen στατίζω (einordnen) kommt. Die deutsche Statistik, eingeführt von Gottfried Achenwall 1749, bezeichnete ursprünglich die „Lehre von den Daten über den Staat“. Im 19. Jahrhundert hatte der Schotte John Sinclair das Wort erstmals in seiner heutigen Bedeutung des allgemeinen Sammelns und Auswertens von Daten benutzt.



Einführung |


Statistik wird einerseits als eigenständige mathematische Disziplin über das Sammeln, die Analyse, die Interpretation oder Präsentation von Daten betrachtet, andererseits als Teilgebiet der Mathematik, insbesondere der Stochastik, angesehen.[2][3][4]


Die Statistik wird in die folgenden drei Teilbereiche eingeteilt:



  • Die deskriptive Statistik (auch beschreibende Statistik oder empirische Statistik): Vorliegende Daten werden in geeigneter Weise beschrieben, aufbereitet und zusammengefasst. Mit ihren Methoden verdichtet man quantitative Daten zu Tabellen, graphischen Darstellungen und Kennzahlen. Bei einigen Institutionen ist wie bei der amtlichen Statistik oder beim sozio-oekonomischen Panel (SOEP) die Erstellung solcher Statistiken die Hauptaufgabe.

  • Die induktive Statistik (auch mathematische Statistik, schließende Statistik, beurteilende Statistik oder Inferenzstatistik): In der induktiven Statistik leitet man aus den Daten einer Stichprobe Eigenschaften einer Grundgesamtheit ab. Die Wahrscheinlichkeitstheorie liefert die Grundlagen für die erforderlichen Schätz- und Testverfahren.

  • Die explorative Statistik (auch hypothesen-generierende Statistik, analytische Statistik oder Data-Mining): Dies ist methodisch eine Zwischenform der beiden vorgenannten Teilbereiche, bekommt als Anwendungsform jedoch zunehmend eine eigenständige Bedeutung. Mittels deskriptiver Verfahren und induktiver Testmethoden sucht sie systematisch mögliche Zusammenhänge (oder Unterschiede) zwischen Daten in vorhandenen Datenbeständen und will sie zugleich in ihrer Stärke und Ergebnissicherheit bewerten. Die so gefundenen Ergebnisse lassen sich als Hypothesen verstehen, die erst, nachdem darauf aufbauende, induktive Testverfahren mit entsprechenden (prospektiven) Versuchsplanungen sie bestätigten, als statistisch gesichert gelten können.


Der Unterschied zwischen deskriptiver und explorativer Statistik wird auch an den Fragestellungen deutlich:[5]




  • Deskriptive Statistik: Wie kann man eine Verteilung eines Merkmals beschreiben?

  • Explorative Statistik: Was ist an einer Verteilung eines Merkmals bemerkenswert oder ungewöhnlich?



Geschichte |


Die moderne Statistik entstand aus verschiedenen historischen (datenanalytischen) Entwicklungen, die im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts zu der heutigen Statistik zusammengewachsen sind. Insbesondere die Teilung der Statistik in eine deskriptive und eine schließende Statistik spiegelt diese historische Entwicklung wider.



Amtliche Statistik |



Die Anfänge der amtlichen Statistik reichen bis weit vor Christi Geburt zurück. Die ersten amtlichen Statistiken waren Volkszählungen (vermutlich erstmals in Ägypten zirka 2700 v. Chr.[6], während der Xia-Dynastie zirka 2000 v. Chr., in der Stadt Mari in Mesopotamien zirka 1700 v. Chr.). Im alten Griechenland gab es zumindest in Athen Bürgerregister, Register zur Bevölkerungsbewegung, Einfuhrlisten zollpflichtiger Waren (wie Importe von Getreide) und Vermögenskataster. Bei römischen Volkszählungen wurden die Bürger und ihr Vermögen erfasst.


In Deutschland fand die erste Volkszählung 1449 in Nürnberg statt. Die Stadtverwaltung wollte die Bevölkerung und Vorräte erfassen, um zu entscheiden, ob man Flüchtlinge aus dem Markgrafenkrieg noch in die Stadt lassen konnte oder nicht. Den Anfang mit umfangreichen (amtlichen) statistischen Erhebungen machte der französische Staatsmann Colbert 1665 mit der Einrichtung einer Handelsstatistik.


In Preußen wurden seit 1683 auf Anordnung des Kurfürsten Friedrich Wilhelm Bevölkerungsstatistiken (Geburten, Eheschließungen und Todesfälle) erstellt und im Lauf der Zeit erweitert: 1719 der Hausbestand und Kommunalfinanzen, 1778 der Viehbestand, Aussaat, Getreidepreise, Flachs- und Tabakanbau, Fabriken, Hütten- und Bergwerke, Schifffahrt und Handel. Andere deutsche Staaten und Städte zogen nach, so Bayern im Jahre 1771 mit der Dachsbergschen Volksbeschreibung. Seit der Errichtung des Statistischen Amtes des Deutschen Reiches 1872 wird in Deutschland eine gesamte amtliche Statistik geführt.[7] Auch in Österreich wurde 1753 durch Maria Theresia eine erste Volkszählung durchgeführt.


Um 1870 existierten in den meisten großen Staaten in Europa moderne statistische Behörden. Auf den Konferenzen des Statistischen Kongresses (1853–1878) wurden Qualitätsnormen formuliert, derer sich die meisten Staaten bedienten.[8]


Im Gegensatz zu heutigen Ergebnissen der amtlichen Statistik wurden die erstellten Statistiken nicht veröffentlicht und galten als Staatsgeheimnisse.



Universitätsstatistik |


Unabhängig von der amtlichen Statistik hat sich die sogenannte Universitätsstatistik, ein inzwischen kaum mehr geläufiger Begriff für die beschreibende Staats- und Länderkunde, entwickelt. Das Sammelwerk des Italieners Sansovino (1562) ist eine erste Auflistung der Regierungsformen von zwanzig Staaten.[9] Ähnliche Werke entstanden unter anderem von dem Italiener Botero (1589), dem Franzosen d'Avitys (1616) und dem Niederländer de Laet (1624–1640).[10] Der Hauptvertreter der Universitätsstatistik in Deutschland war der Statistiker Achenwall.


Die amtliche Statistik diente der Verwaltung und der Unterstützung von Regierungs- oder Verwaltungsentscheidungen. Die Universitätsstatistik sollte mehr eine allgemeine Informationsquelle für Staatsmänner sein und enthielt anfangs nur textuelle Beschreibungen. Dazu gehörten Regierungsform, Gesetzesbestimmungen und Einzeltatsachen, eben „Staatsmerkwürdigkeiten“ im Sinne von des Merkens würdig. Erst später kamen tabellarische Aufstellungen hinzu, wie bei Büsching. Die Universitätsstatistiker haben jedoch selbst keine Erhebungen durchgeführt, sondern durch den Zugang zu den amtlichen Statistiken diese bearbeitet und veröffentlicht.


Das 19. Jahrhundert brachte Verfeinerungen der Beobachtungspraktiken, ihre institutionelle Verstetigung und die Idee der Objektivierung. Am Ende des 19. Jahrhunderts fand der Begriff der „Population“ vermehrt Anwendung. Bis 1890 lag eine voll ausgebildete mathematisierte Statistik vor. Adolphe Quetelet ergründete seit der Mitte des Jahrhunderts gesellschaftliches Zahlenmaterial nach Durchschnitten, Korrelationen und Gesetzmäßigkeiten und erfand den „Statistischen Durchschnittsbürger“ (l'homme moyen).[11]



Politische Arithmetik |


Erst die politischen Arithmetiker begannen, nach Gesetzmäßigkeiten in den Daten zu forschen. Dies hatte ihren Ursprung in den populärer werdenden Tontinen, einer Art Rentenversicherung.[12] Der Engländer Graunt analysierte 1660 Geburts- und Sterbelisten und wollte allgemeine Gesetzmäßigkeiten über das Geschlechterverhältnis, das Verhältnis von Sterbe- und Geburtsfällen, Sterbehäufigkeiten finden.[13] Der englische Statistiker und Ökonom Petty übertrug diese Art von Analyse auf Wirtschaftsdaten. Der Hauptvertreter der politischen Arithmetiker in Deutschland ist der Statistiker Süßmilch mit seinem Werk Die Göttliche Ordnung in den Verhältnissen des menschlichen Geschlechts, aus der Geburt, dem Tode und der Fortpflanzung desselben erwiesen von 1741.


Diese Art von Statistiken hatte auch Einfluss auf philosophische Fragen, beispielsweise zur Existenz des freien Willens des Individuums.[14]Quetelet stellte fest, dass die Zahl der Eheschließungen in belgischen Städten geringere Abweichungen vom Durchschnitt zeigt als die Zahl der Todesfälle. Und das, obwohl der Zeitpunkt der Eheschließung dem freien Willen unterliegt und der Todeszeitpunkt (in der Regel) nicht.



Wahrscheinlichkeitsrechnung |



Aus Betrachtungen von Glücksspielen entstand die moderne Wahrscheinlichkeitsrechnung. Als Geburtsstunde der Wahrscheinlichkeitsrechnung gilt der Briefwechsel zwischen Pascal und Fermat im Jahr 1654. Das Fundament der modernen Wahrscheinlichkeitsrechnung wurde mit dem Erscheinen von Kolmogorovs Lehrbuch Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitsrechnung im Jahr 1933 abgeschlossen.



Schritte der praktischen Umsetzung der Statistik |


Die Durchführung einer statistischen Untersuchung erfolgt immer im Zusammenspiel von statistisch-mathematischer Methodik und theoretischem Fachwissen. Sie kann grob in fünf Schritte eingeteilt werden:



Planung |


In der Planungsphase (oder auch Definitionsphase) müssen die Forschungsfragen (Problem- und Zielstellung der Untersuchung und ihre theoretische Begründung) klar festgelegt werden. Zur Beantwortung muss folgendes entschieden werden:



  • Wie wird die Grundgesamtheit definiert,

  • an welchen statistischen Einheiten soll gemessen werden,

  • welche Variablen sollen erhoben werden,

  • welche Operationalisierungen sollen vorgenommen werden,

  • welcher Art und welchen Umfang soll die Erhebung haben.


Eine statistische Untersuchung ist selten eine unmittelbare Abfolge der fünf Schritte, sondern meist ein ständiger Wechsel zwischen den verschiedenen Phasen in Abhängigkeit von den Daten, Analyseergebnissen und theoretischen Überlegungen. Ein wichtiges Teilgebiet ist das statistische experimentelle Design, das üblicherweise auch eine sog. Fallzahlplanung (z. B. bei klinischen Studien) enthält. Sind diese Fallzahlen zu gering, so kann es vorkommen, dass die Studie zu wenig Power besitzt, um den Zusammenhang zu zeigen. Grundsätzlich ist zu sagen, dass Studien mit höheren Fallzahlen auch mehr Power besitzen. Mithilfe von statistischen Verfahren ist es möglich bei der Anwendung eines t-Tests (dieser prüft, ob sich zwei Mittelwerte einer Stichprobe statistisch signifikant voneinander unterscheiden) die Fallzahl genau zu berechnen.



Erhebung |


Nach der Festlegung der Erhebungsart ergeben sich entsprechende Schritte.


Primär-statistische Erhebung

Der Forscher erhebt seine Daten selbst, etwa durch Umfrage. Damit muss das Prozedere der Datenerhebung, etwa durch das ADM-Design, festgelegt werden und die Erhebung nach diesen Vorschriften durchgeführt werden.


Sekundär-statistische Erhebung

Der Forscher nutzt Einzeldaten, die von anderen erhoben wurden, etwa durch ein Statistisches Amt. So spart er Arbeit, da er nicht selbst erhebt. Oft jedoch passen die erhobenen Variablen nicht exakt zur Forschungsfrage oder der gewünschten Operationalisierung.


Tertiär-statistische Erhebung

Der Forscher nutzt nur für eine statistische Raumbezugseinheit[15]aggregierte Daten, die von anderen erhoben und veröffentlicht wurden.


Ferner differenziert man zwischen randomisierten Daten und reinen Observationsdaten (aus denen durch Computer-Simulationen noch quasirandomisierte Daten erstellt werden können, z. B. durch Propensity Score Matching).



Aufbereitung |


Die Aufbereitungsphase umfasst die Kodierung der Daten, die Datenbereinigung (Plausibilitätsprüfung und Korrektur, Ausreißer, fehlende Werte) und evtl. (statistisch oder sachlogisch) notwendige Transformationen der erhobenen Variablen.


In die Aufbereitung fallen auch Imputationsmethoden für fehlende Werte. Dies bezeichnet Methoden, die fehlenden Werte durch ein zu begründendes Modell einzufügen. Hierbei ist äußerste Vorsicht geboten, mittlerweile existiert eine eigene Forschung im Bereich der Imputationsmethoden.


Konventionen und Zeichen präzisieren die Ergebnisse einer sorgfältigen Aufbereitung. Die Statistik der Stadt Bern arbeitet nach den folgenden Regeln:[16]















































Symbol Bedeutung

Gedankenstrich: Es kommt nichts vor (Wert genau Null).

Ein Strich wird außerdem gesetzt, wenn die begrifflichen Voraussetzungen für eine Eintragung fehlen, das Zeichen bei Berechnungen aber durch eine Null ersetzt werden darf.


0 0.0
Eine Größe, die kleiner ist als die Hälfte der kleinsten verwendeten Einheit.
()
Leere Klammer: Eine Zahlenangabe unterbleibt aus Gründen des Datenschutzes.

Drei Punkte bedeuten je nach Kontext: Zahl nicht bekannt, gegenstandslos, aus statistischen Gründen nicht aufgeführt oder nicht anwendbar.

1, 2
Eine hochgestellte Zahl dient als Hinweis auf eine Fußnote.
r Ein hochgestelltes r macht einen gegenüber früher korrigierten Wert ersichtlich („restated“).
g Ein hochgestelltes g steht bei geschätzten Daten.
/
Ein Schrägstrich zwischen zwei Jahreszahlen kennzeichnet die zugehörigen Werte als Mittelwert.

Ein Bindestrich zwischen zwei Jahreszahlen kennzeichnet die zugehörigen Werte als Summe.
Σ
Allfällige Unterschiede zwischen Gesamtsumme und addierten Einzelwerten oder Teilsummen sind auf zufällige Rundungsdifferenzen zurückzuführen.


Analyse |


In der Analysephase werden die Methoden der explorativen, deskriptiven und induktiven Statistik auf die Daten angewandt (Kennziffern, Grafiken und Tests). Aufgrund der teilweise automatisch erhobenen Datenmengen und der immer komplexeren Auswertungsverfahren (etwa Bootstrapping-Verfahren) ist eine Analyse ohne eine geeignete Statistik-Software (wie z. B. R) kaum möglich.



Interpretation |


Die Interpretation der Ergebnisse der statistischen Analyse erfolgt natürlich unter Berücksichtigung des jeweiligen Fachgebietes. Von großer und fachübergreifender Wichtigkeit jedoch ist die Umsetzung von Zahlen in Sprache, die treffsichere sprachliche Umsetzung der gewonnenen Ergebnisse, die wissenschaftliche Kriterien erfüllt. Ohne den Rückbezug auf die im Verlauf des im wissenschaftlichen Erkenntnisprozess aufgestellten Hypothesen und Fragestellungen bleibt die statistische Analyse ohne Belang. In der statistischen Auswertung werden auch die meisten Schwächen einer statistischen Analyse sichtbar. Zu oft bleibt nur die reine Zahlendarstellung und zu wenig wird das Augenmerk auf eine klare sprachliche Ergebnissicherung gelegt. Eine überzeugende statistische Auswertung wird die gewonnenen Ergebnisse in einen flüssigen Text einbauen, versehen mit der Relevanz, den ersten Schritten von der Frage zur statistischen Methode, dem Höhepunkt einer strukturierten Ergebnisdarstellung und zu guter Letzt dem Verweis auf den größeren wissenschaftlichen Kontext, durchaus auch im Bewusstsein möglicher Schwachstellen der Analyse. Erst der Verweis und Querbezug auf andere wissenschaftlich gewonnene und valide Studienergebnisse trägt dann zu einem Erkenntnisfortschritt bei.



Informationsgehalt und -bewertung |


Statistiken stellen eine Repräsentation gesammelter Daten dar. Je nach Art und Weise der Datengewinnung entspricht der Gehalt der Informationen einem brauchbaren Ergebnis. Bei Verlassen der reellen und objektiven Prozesse können aber auch falsche Schlüsse aus Statistiken gezogen werden. So lässt sich ermitteln, wie groß der Anteil von Schwarzfahrern in Zügen oder die Durchschnittseinkommen der Bevölkerung an einem bestimmten Ort sein könnten. Allein aus statistisch verknüpfbaren Daten sollten aber keine Zusammenhänge gebildet werden.


Im Umgang mit Statistiken gilt es stets, den gesamten Datengehalt auf Relevanz, auf Beziehung der Teilinformationen zueinander und zum Umfeld zu prüfen. Auch bei geeigneter Interpretation der Daten können falsche Belege gefunden werden, wenn die eine oder andere Beziehung weggelassen oder ins falsche Umfeld gesetzt wird. Es wird daher von Statistiken gefordert, dass sie „objektiv“ (unabhängig vom Standpunkt des Statistikerstellers), „reliabel“ (verlässlich), „valide“ (überkontextuell gültig), „signifikant“ (bedeutend) und „relevant“ (wichtig) sind.



Schulen und Denkrichtungen |


In Lehrbüchern wird mitunter der Eindruck vermittelt, es gebe nur das eine, sich ständig weiterentwickelnde Statistikmodell. In der Deskriptiven Statistik gibt es wenig Kontroversen, in der Induktiven Statistik gibt es jedoch verschiedene Denkschulen, die ein Problem unterschiedlich analysieren, bewerten und numerisch berechnen.[17] Wenig bekannte Ansätze sind



  • die Fiduzialinferenz von Ronald Aylmer Fisher,

  • die Likelihoodinferenz basierend auf den Arbeiten von George Alfred Barnard, Allan Birnbaum und Anthony W.F. Edwards und

  • die Strukturinferenz von Donald A. S. Fraser.


Dominiert wird die induktive Statistik durch



  • die klassische Inferenz, entwickelt durch Ronald Aylmer Fisher, Egon Pearson und Jerzy Neyman,

  • die Bayes-Inferenz, entwickelt durch Harold Jeffreys, Dennis Victor Lindley und Leonard Jimmie Savage, sowie

  • die statistische Entscheidungstheorie von Abraham Wald.


Die folgende Tabelle zeigt einige Unterschiede zwischen den Inferenzarten auf:










































klassische Inferenz
Bayes-Inferenz
statistische Entscheidungstheorie
verwendetes Inferenzkonzept
objektivistisch, kognitivistisch, frequentistisch
subjektivistisch, kognitivistisch, nichtfrequentistisch
subjektivistisch, dezisionistisch, nichtfrequentistisch
Verwendete Information
früher: Priorinformation → jetzt: Stichprobendaten → später: Handlungsfolgen
nur Stichprobendaten
zusätzlich Priorinformation
zusätzlich Handlungsfolgen
Informationsverarbeitung
Stichproben- und Likelihood-Funktionen
zusätzlich Priorverteilungen für Priorinformationen und Posteriorverteilung mittels Bayes Formel
zusätzlich Verlustfunktion für Handlungsfolgen
Eingesetzte Methoden
Punkt- und Intervallschätzung sowie Testverfahren auf Basis der Stichprobenverteilungen
Punkt- und Intervallschätzung sowie Testverfahren auf Basis der Posteriorverteilungen
Aufstellung von Entscheidungsfunktionen
Methodenbeurteilung
Unbekannter Parameter Θ{displaystyle Theta }Theta ist fix und Wahrscheinlichkeitsaussagen betreffen nur die Schätzung Θ^n{displaystyle {hat {Theta }}_{n}}{hat  {Theta }}_{n}.
Unbekannter Parameter Θ{displaystyle Theta }Theta ist stochastisch und Wahrscheinlichkeitsaussagen betreffen auch Θ{displaystyle Theta }Theta .


Anwendung |


Ursprünglich wurde die Statistik entwickelt für die amtliche Statistik und auch für die Analyse von Glücksspielen. Bei vielen Fachwissenschaften bestand der Bedarf nach „objektiver“ Überprüfung und Entscheidung von Theorien, wozu die Mathematik und Regeln der Statistik geeignet sind. So haben sich aus der Anwendung von statistischen Methoden in den Fachwissenschaften eigene Teilgebiete entwickelt.




  • Amtliche Statistik ist die Gesamtheit der von offiziellen Institutionen, insbesondere den Statistischen Ämtern, erstellten Statistiken.


  • Betriebsstatistik bezeichnet einerseits die Beschreibung und Überprüfung innerbetrieblicher Abläufe mit Hilfe statistischer Methoden und andererseits externe Statistiken über eine Gesamtheit von Betrieben.


  • Bevölkerungsstatistik ist die Lehre von der systematischen Erfassung, Darstellung und Interpretation der demografischen Situation und Entwicklung mit Hilfe statistischer Methoden (s. a. Demografie).


  • Biostatistik (auch: Biometrie) beschäftigt sich mit Fragestellungen, die sich in der medizinischen Forschung und anderen sich mit Lebewesen befassenden Forschungsbereichen ergeben.


  • Chemometrik (auch Chemometrie) ist die chemische Teildisziplin, die sich mit der Anwendung mathematischer und statistischer Methoden beschäftigt, um in optimaler Weise chemische Verfahren und Experimente zu planen, zu entwickeln, auszuwählen oder auszuwerten.


  • Data Mining und Maschinelles Lernen sind statistische und probabilistische Modelle, die Muster in den Daten durch den Einsatz von Berechnungsalgorithmen erfassen.


  • Demografie oder Bevölkerungswissenschaft ist eine wissenschaftliche Disziplin, die sich statistisch mit der Entwicklung von Bevölkerungen und deren Strukturen befasst.


  • Epidemiologie ist jene wissenschaftliche Disziplin, die sich mit den Ursachen und Folgen sowie der Verbreitung von gesundheitsbezogenen Zuständen und Ereignissen in Populationen beschäftigt.

  • Erziehungswissenschaften verwenden statistische Verfahren, um große Schülerpopulationen zu beschreiben und verstehen (z. B. PISA)


  • Finanzstatistik fokussiert sich auf drei Themen: empirische Analysen und Modellierung von Finanzzeitreihen sowie die agentenbasierte Modellierung für simulierte und reale Märkte.


  • Geostatistik bezeichnet bestimmte stochastische Methoden zur Charakterisierung und Schätzung von räumlich korrelierten georeferenzierten Daten.


  • Kommunalstatistik erstellt für statistische Raumbezugseinheiten[18] kleinräumige Primär-, Sekundär- und Tertiärstatistiken für die kommunalen Planungen und Entscheidungen.


  • Ökonometrie ist ein Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaften, das die ökonomische Theorie sowie mathematische Methoden und statistische Daten zusammenführt, um wirtschaftstheoretische Modelle empirisch zu überprüfen und ökonomische Phänomene quantitativ zu analysieren.


  • Operations Research ist ein Teilgebiet der angewandten Mathematik, das sich mit der Optimierung bestimmter Prozesse oder Verfahren, auch mit statistischen Methoden, beschäftigt.


  • Quantitative Linguistik untersucht mit statistischen Methoden den Spracherwerb, den Sprachwandel sowie Verwendung und Struktur von Sprachen.


  • Populationsökologie ist ein Teilgebiet der Ökologie, das sich mit der Zusammensetzung, der Dynamik und der Wechselwirkung biologischer Populationen beschäftigt. Traditionell wird die Populationsökologie in die statistische Populationsbeschreibung und in die Populationsdynamik unterteilt. Ein wesentlicher Inhalt derselben ist die Wechselwirkung von Populationen im Rahmen der Konkurrenz- sowie der Räuber-Beute-Beziehungen.


  • Psychometrie ist das Gebiet der Psychologie, das sich allgemein mit Theorie und Methode des psychologischen Messens befasst. Sie ist eine Zusammenstellung (spezifischer) mathematischer und statistischer Modelle und Methoden. Diese wurden entwickelt, um die im Rahmen psychologischer Forschung gewonnenen empirischen Daten zusammenzufassen und zu beschreiben, und um aus ihnen Schlussfolgerungen zu ziehen. Vor allem dienen sie der psychologischen Modellbildung, wie mathematisch-statistischer, also psychometrischer Modelle über verschiedene kognitive Funktionsbereiche, über Persönlichkeitsbereiche, die aus den entsprechenden grundlegenden Theorien abgeleitet und formalisiert werden.


  • Six Sigma ist eine Methode aus dem Qualitätsmanagement, deren Kernelement die Beschreibung, Messung, Analyse, Verbesserung und Überwachung von Geschäftsvorgängen mit statistischen Mitteln ist.


  • Sportstatistiken dienen der Darstellung bereits erbrachter sportlicher Leistungen und werden dazu verwendet, diese Leistungen zu analysieren sowie Vorhersagen über zukünftig zu erwartende Leistungen zu machen. Sie sind die Grundlage für Sportwetten.


  • Statistische Mechanik (hierzu auch: Statistische Thermodynamik) war ursprünglich ein Anwendungsgebiet der Mechanik. Der Zustand eines physikalischen Systems wird nicht mehr durch den genauen zeitlichen Verlauf von Ort und Impuls der einzelnen Teilchen charakterisiert, sondern durch die Wahrscheinlichkeit, derartige mikroskopische Zustände vorzufinden und steht somit für die (theoretische und experimentelle) Analyse zahlreicher, fundamentaler Eigenschaften von Systemen vieler Teilchen (Atome, Moleküle).


  • Statistische Physik beschäftigt sich mit der Beschreibung von Naturphänomenen, bei denen zwar eine große Anzahl an Teilsystemen (oder Teilchen) beteiligt ist, aber nur Aussagen über die Gesamtheit interessieren oder grundsätzlich nur eine unvollständige Information über das Detailverhalten der Teilsysteme vorhanden ist. Sie ist eine physikalische Disziplin, deren mathematische Basis Sätze aus der Wahrscheinlichkeitstheorie und der asymptotischen Statistik und einige wenige physikalische Hypothesen bilden.


  • Umweltstatistik beschäftigt sich mit dem Sammeln von Umweltdaten und der Analyse von Ökosysteme, deren Belastungen und Reaktionen, mit Hilfe statistischer Methoden.


  • Versicherungsmathematik ist die Wissenschaft, die mathematische und statistische Methoden zur Risikomessung im Versicherungswesen und im Bankensystem anwendet.


  • Wirtschaftsstatistik ist die Lehre von der systematischen Erfassung, Darstellung und Interpretation ökonomischer Tatbestände mit Hilfe statistischer Methoden.



Ausbildung |




Software |






R ist eine Open-Source-Statistiksoftware


Die Entwicklung der Computer seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat einen großen Einfluss auf die Statistik. Frühe statistische Modelle waren fast immer lineare Modelle. Die immer größere Rechenkapazität und die Entwicklung geeigneter numerischer Algorithmen verursachte ein gesteigertes Interesse an nicht-linearen Modellen, wie künstlichen neuronalen Netzwerken und führte zur Entwicklung komplexer statistischer Modelle, beispielsweise Generalisierte Lineare Modelle oder Mehrebenenmodelle.


Durch die individuelle Verfügbarkeit von Statistik-Software kann man auch Daten selbst darstellen und eine Vielzahl von Berechnungen durchführen. Dies reicht von der Berechnung von Lageparametern (wie Mittelwerte, Median, Modus) und Streuungsmaßen (wie Standardabweichung, Varianz, Spannweite) bis zu komplexen statistischen Modellen. Auch ist in der Regel die Darstellung von Daten in einer Vielzahl von Diagrammen, wie Box-Plot-Diagrammen, Stamm-Blatt-Diagrammen möglich. Für spezialisierte Grafiken kann man auf Visualisierungsprogramme zurückgreifen.


Der Zuwachs an Rechenleistung hat ebenfalls zu einer zunehmenden Popularität computerintensiver Methoden auf der Basis von Resampling-Techniken (Permutationstests, Bootstrapping-Verfahren) geführt. Auch die bayessche Statistik ist, durch Gibbs-Sampling, möglich geworden.



Bedeutende Statistiker |




Literatur |



 Portal: Statistik/Literatur – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Statistik/Literatur


Weblinks |



 Commons: Statistics – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


 Wiktionary: Statistik – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen


 Wikiquote: Statistik – Zitate


 Wikibooks: Einführung in Statistik – Lern- und Lehrmaterialien



  • Deutsche Arbeitsgemeinschaft Statistik, dagstat.de: mit Verweisen auf alle deutschen wissenschaftlichen Gesellschaften im Bereich Statistik


  • Friendly, M. & Denis, D. J. (2001): Milestones in the history of thematic cartography, statistical graphics, and data visualization („Meilensteine in der Geschichte der Thematischen Kartographie, Statistischen Grafiken und Datenvisualisierung“, Abgerufen: 12. Dezember 2018)


  • isi.cbs.nl: ISI Multilingual Glossary of Statistical Terms („Mehrsprachiges Glossar der statistischen Begriffe“)


  • nzzfolio.ch: Statistik - Zählen und gezählt werden (Themenschwerpunkt von NZZ Folio, der Zeitschrift der Neuen Zürcher Zeitung)


  • statsoft.com: Guter Überblick der wichtigsten statistischen Verfahren (englisch)


  • RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, rwi-essen.de: Unstatistik des Monats



Einzelnachweise |




  1. Rinne, Horst.: Taschenbuch der Statistik. 4., vollständig überarb. und erw. Aufl. Deutsch, Frankfurt, M. 2008, ISBN 978-3-8171-1827-4, S. 1. 


  2. Lincoln E. Moses: Think and Explain with statistics. Addison-Wesley, 1986, ISBN 978-0-201-15619-5, S. 1–3. 


  3. David Moore: Statistics for the Twenty-First Century. The Mathematical Association of America, Washington, DC 1992, Teaching Statistics as a Respectable Subject, S. 14–25. 


  4. William Lee Hays: Statistics for the social sciences. Holt, Rinehart and Winston, 1973, ISBN 978-0-03-077945-9, S. xii. 


  5. Wolfgang Polasek: Explorative Daten- Analyse. Einführung in die deskriptive Statistik. 2. Auflage. Springer, Berlin 1994, ISBN 978-3-540-58394-3. 


  6. Ian Shaw: The Oxford History of Ancient Egypt. Oxford University Press, 2004, ISBN 978-0-19-280458-7, S. 4–5. 


  7. Statistisches Bundesamt Wiesbaden (Hrsg.): Bevölkerung und Wirtschaft 1872–1972. W. Kohlhammer Stuttgart/Mainz, 1972, S. 15–16. 


  8. Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts. C. H. Beck. 2 Aufl. der Sonderausgabe 2016. ISBN 978 3 406 61481 1. S. 59


  9. Sansovino, F. (1578), Del governo et amministratione di diversi regni et repvbliche, cosi antiche come moderne, Per ordine di Iacomo Sansouino, Venetia (Open Library)


  10. Botero, G. (1589), Della ragion di Stato libri dieci, Appresso i Gioliti, Venetia (Open Library)


  11. Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts. C. H. Beck. 2 Aufl. der Sonderausgabe 2016. ISBN 978 3 406 61481 1. S. 60


  12. Peter Koch: Beiträge zur Geschichte des deutschen Versicherungswesens, Teil 2. Verlag Versicherungswirtschaft, 2005, S. 28. 


  13. Graunt, J. (1665) Natural and Political Observations mentioned in a following Index, and made upon the Bills of Mortality, 1665 (Digitalisat)


  14. Wappäus, J.E. (1861), Allgemeine Bevölkerungsstatistik (Zweither Theil) Verlag der J.C. Hinrichs'schen Buchhandlung, Leipzig, S. 411ff


  15. Statistisches Raumbezugssystem


  16. Statistisches Jahrbuch der Stadt Bern, Berichtsjahr 2016.


  17. H. Rinne (1997): Taschenbuch der Statistik. (2. Auflage), Harri Deutsch Verlag, Frankfurt am Main, S. 471 ff.


  18. Kommunales Raumbezugssystem: http://www.staedtestatistik.de/agk.html









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