Klassizismus










Die Glyptothek in München


Klassizismus bezeichnet als kunstgeschichtliche Epoche den Zeitraum etwa zwischen 1760 und 1840. Der Klassizismus löste den Barock bzw. das Rokoko ab. Zum Klassizismus gehören die Stile Louis-seize, Empire und Biedermeier. Die Epoche wurde in der Malerei, Literatur und (teilweise) Musik außerdem von der Romantik begleitet und in der Architektur vom Historismus abgelöst. Für die Musik der Epoche (bis in die 1820er Jahre) ist etwas abweichend der Begriff Klassik bzw. Wiener Klassik üblich.


Im Verhältnis zum Barock kann der Klassizismus als künstlerisches Gegenprogramm aufgefasst werden. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gelangte er nach einer ersten Phase der Koexistenz durch die anhaltenden Diskussionen über die ästhetischen Leitbilder des Barock zur Vorherrschaft. Der Klassizismus in der Architektur basiert auf dem Formenkanon des griechischen Tempelbaus, lehnt sich teilweise aber auch an die italienische Frührenaissance an.


Im romanischen Sprachraum (Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch...) und im Englischen wird der Klassizismus als „Neoklassizismus“ bezeichnet, während im deutschsprachigen Raum unter Neoklassizismus eine Strömung des Historismus im frühen 20. Jahrhundert verstanden wird.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Begriff


  • 2 Geschichtliche Entwicklung


    • 2.1 Frühklassizismus


    • 2.2 Der Klassizismus der Revolution und des Empires


    • 2.3 Zeit der Restauration


    • 2.4 Übergang zum Historismus


      • 2.4.1 Abgrenzung zum Historismus


      • 2.4.2 Unterschiede zum Historismus






  • 3 Malerei des Klassizismus


  • 4 Architektur des Klassizismus


  • 5 Künstler des Klassizismus


  • 6 Literatur


  • 7 Weblinks


  • 8 Einzelnachweise





Begriff |


Der Begriff findet auch in dem Sinn eines künstlerischen Rückgriffs auf antike griechische oder römische Vorbilder seine Verwendung. So trat er bereits seit dem 17. Jahrhundert in den europäischen Künsten in verschiedenen Strömungen, Themenstellungen und unterschiedlichen regionalen Ausprägungen in Architektur, Malerei und Plastik in Erscheinung (siehe Classicisme).


Der Begriff ist im europäischen Sprachraum mehrdeutig und bezieht sich meist nicht auf ein und dieselbe Kunstepoche. Seit der Renaissance entstanden klassizistische Unterströmungen, die auch in der Zeit des Barock immer wirksam waren. So bezeichnet man beispielsweise die Baukunst Palladios (1508–1580) und seiner Nachfolger als Klassizismus (siehe Palladianismus), sowie eine bestimmte Strömung in der Malerei des 17. Jahrhunderts, die vor allem auf die Antike und Raffael als Ideal zurückgriff, und zu denen als bedeutendste Vertreter Guido Reni, Domenichino, Albani, Claude Lorrain und Nicolas Poussin gehörten. Als Klassizismus benennt man ferner die Kunst Frankreichs und Englands im 17. Jahrhundert (siehe klassizistischer Barock). So wird für die im deutschsprachigen Raum als Klassizismus bezeichnete Epoche in England, Frankreich, Spanien und Italien, aber auch in Polen, in der Türkei und in Griechenland der Begriff Neo-Klassizismus verwendet, der teilweise auch im Deutschen übernommen wurde.



Geschichtliche Entwicklung |




Die Prinzessinnengruppe von Johann Gottfried Schadow




Klassizistische Planstadt Putbus auf der Insel Rügen, Circus





Ballhaus am Schloss Wilhelmshöhe in Kassel



Frühklassizismus |


Im späten 18. Jahrhundert galt der Klassizismus mit einer läuternden Vereinfachung der Formen als Gegenmodell zur Kunst des Barock. Gegenüber dem vorangegangenen Rokoko zeichnet sich der Klassizismus durch eine Rückkehr zu geradlinigen, klaren Formen und einer stärkeren Anlehnung an klassisch-antike Vorbilder aus.


Als geistiger Begründer im deutschsprachigen Raum gilt Johann Joachim Winckelmann.





„Der einzige Weg für uns, groß, ja, wenn es möglich ist, unnachahmlich zu werden, ist die Nachahmung der Alten.“[1]








„Das allgemeine vorzügliche Kennzeichen der griechischen Meisterstücke ist endlich eine edle Einfalt, und eine stille Größe, sowohl in der Stellung als im Ausdrucke. So wie die Tiefe des Meers allezeit ruhig bleibt, die Oberfläche mag noch so wüten, ebenso zeiget der Ausdruck in den Figuren der Griechen bei allen Leidenschaften eine große und gesetzte Seele.“[2]





Der Übergang von spätbarocken Formen zum Klassizismus wird vor allem in der älteren deutschen Kunstgeschichte bisweilen als Zopfstil bezeichnet. Benannt ist er nach dem Zopf, in dem die barocke Blumengirlande zu einem dünnen Band reduziert wird.


In Frankreich beginnt die Epoche des Klassizismus, die in dort als neo-classicisme bezeichnet wird, gegen Ende der Regierungszeit Ludwig XV. Der vergleichbare Stil wird Louis-seize (vorrevolutionärer Klassizismus) genannt. Während einer Übergangszeit von 1750 bis 1760, die als style transition bezeichnet wird, finden sowohl Elemente des Rokoko, des goût pittoresque als auch klassische Formen Verwendung. Der Frühklassizismus wird in Frankreich auch als goût grec bezeichnet und geht nach 1770 in den goût étrusque des Louis-seize aus der Regierungszeit Ludwigs XVI. über.




Das Palais Vischer ist ein Gebäude des Schwäbischen Klassizismus, seine Architektur und Innenausstattung wurden nach den Plänen von Reinhard Ferdinand Heinrich Fischer gestaltet, heute beherbergt es das Museum zur Stadtgeschichte von Calw


In Österreich fällt der Frühklassizismus mit der Regierungszeit Josephs II. zusammen, der auch neue Bauaufgaben initiiert hat. (Kirchen für neue Pfarrsprengel, Krankenhäuser, öffentliche Schulen und Parks; siehe Josephinismus).


In Großbritannien nennt man die frühklassizistische Phase Late Georgian.



Der Klassizismus der Revolution und des Empires |





Triumphbogen in Paris


Ab den 1790er Jahren galt der Klassizismus als der „Stil der Revolution“, vor allem in der Architektur, wo immer wuchtigere Formen bevorzugt werden. Mit der Vereinnahmung der Revolution durch Napoleon Bonaparte kommt es dann zum besonders monumentalen Empirestil, der sich mit der Herrschaft des Kaisers über ganz Westeuropa und bis nach Russland ausbreitet (Sankt Petersburg). Auch Jacques-Louis David, der Begründer des Klassizismus in der Malerei, wird zum Anhänger der Revolution und später Hofmaler Napoleons.


In Großbritannien fasst man diese Zeit als Regency zusammen (nach der Herrschaft des Prinzregenten und künftigen Königs Georg IV.).



Zeit der Restauration |


Die Architektur und Malerei des Biedermeier stellt eine Wendung ins Schlichtere und ‚Gemütliche‘ (Innendekoration) dar, die gleichwohl keine grundsätzliche ästhetische Abwendung vom Klassizismus bedeutet. In der Malerei hält sich diese Ästhetik bis in die 1870er Jahre, in der Architektur wird sie schon in der ersten Jahrhunderthälfte durch alternative Bauformen in Frage gestellt, am frühesten von der Neugotik. Gesellschaftlich werden die neuen Bauformen mit dem aufstrebenden Bürgertum und seinem Wunsch nach Repräsentation assoziiert. Paul Sprenger, ein wichtiger Repräsentant der späten klassizistischen Architektur in Österreich, wurde geradezu als „Metternich der Architektur“ bezeichnet.



Übergang zum Historismus |


Um die Mitte des 19. Jahrhunderts setzte eine Entwicklung vom Klassizismus hin zum Historismus ein. Eine prägende Stilform dieses Übergangs ist der Rundbogenstil, der ab etwa 1828, gedanklich untermauert durch die Schrift „In welchem Style sollen wir bauen?“ von Heinrich Hübsch, eine erste stilistische Transformation des Klassizismus einleitete.



Abgrenzung zum Historismus |


Die Abgrenzung des Klassizismus zum Historismus ist weder chronologisch noch stilistisch ganz einfach. Einerseits ist der Klassizismus selbst ein „historisierender“ Stil, der sich an die Antike und ihrer Interpretation in der Renaissance anlehnt. Andererseits teilt der Historismus zum Teil dasselbe Formenrepertoire, besonders deutlich in der Neorenaissance. Dazu kommt noch, dass der Spätklassizismus durchaus eine Vorliebe für bestimmte Dekorationsformen, etwa aus der byzantinischen oder arabischen Kunst, zeigt. Der Grundzug des Historismus ist dann auch nicht so sehr die „Ablösung“ vom Klassizismus, sondern sein Einfügen in einen pluralistischen Kanon von Stilen – daher auch der Alternativbegriff Eklektizismus. Der schlagendste Unterschied ist die weitaus größere Dekorfreudigkeit der historistischen Bauten und Ausstattungen, die dem in der Gründerzeit reichgewordenen Bürgertum eher zusagte als der spartanische Stil der ersten Jahrhunderthälfte.


Als Übergangsbauwerk zwischen Klassizismus und Historismus in Österreich gilt die Altlerchenfelder Pfarrkirche, bei deren Bau eine Debatte über den „richtigen Stil“ geführt wurde, was schon die Geisteshaltung des Historismus ankündigt.



Unterschiede zum Historismus |




Historismus, klassizierend: Parlament in Wien


Der programmatische Schwerpunkt auf der klassischen Antike unterscheidet den Klassizismus vom Historismus.


Im Gegensatz zum Klassizismus greift der Historismus auf zahlreiche andere Strömungen zurück: Neuromanik, Neugotik, Neorenaissance, Neobarock, Neorokoko. Ebenso existiert eine Neudeutung seiner selbst im Neohistorismus. Ferner findet der Klassizismus zur Wende des 19. zum 20. Jahrhundert als Neoklassizismus eine Neugeburt.


Im Historismus fehlt der Bezug auf die theoretischen Konzeptionen, wie sie etwa Vitruv und andere römische Bauforscher entwickelt haben, und die im Klassizismus als Kanon zugrunde gelegt werden. Der Zugang des Historismus zur klassisch-antikisierenden Formensprache ist eklektisch und auf formale Aspekte beschränkt.



Malerei des Klassizismus |



In der Malerei lösten sich die Künstler von dem allegorischen Programm der Barockzeit und malten Szenen aus der griechischen und römischen Antike, die oft einen „patriotischen“ Hintersinn haben. Die Konturen werden klarer und die pastose Farbgebung verschwindet zugunsten eines flächigen Farbauftrages. Die koloristischen Aspekte der Malerei traten in den Hintergrund. Auf Farbigkeit konnte ein strenger Klassizist im Prinzip auch verzichten. Daher wirkt die Farbgebung eher kühl. Körpergrenzen werden zeichnerisch scharf abgegrenzt. Eine klar überschaubare und harmonische Komposition der Figuren, ein ruhiges Zeitmaß waltet in allen Gebärden.[3]


In Illustrationen sind Umrissradierungen für den Klassizismus charakteristisch.






Architektur des Klassizismus |




Umbau des Altarraumes der Kirche am Hof in klassizistischen Stil (1789)



Die Architektur des Klassizismus orientiert sich stärker als vorherige Stile an dem antiken Bauten, vornehmlich griechischen Vorbildern. Portikus und Säulenordnung sind nun häufiger anzutreffen. Anwendung findet der Stil in fürstlichen und bürgerlichen Repräsentationsbauten, aber auch bei Bauwerken in traditionellen Bautechniken wie im Fachwerkbau. Seltener sind klassizistische Kirchen, hierbei dient der achteckige Turm der Winde oder das Pantheon als Vorbild.



Künstler des Klassizismus |


Künstler, die dem Klassizismus zugeordnet werden, siehe:



  • Kategorie:Architekt des Klassizismus

  • Kategorie:Bildhauer des Klassizismus

  • Kategorie:Maler des Klassizismus



Literatur |



  • Fritz Baumgart: Vom Klassizismus zur Romantik. 1750-1832. Die Malerei im Jahrhundert der Aufklärung, Revolution und Restauration. DuMont Schauberg, Köln 1974, ISBN 3-7701-0490-0.


  • Andreas Beyer: Die Kunst des Klassizismus und der Romantik (= C.H.Beck Wissen. Band 2558). C.H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-60762-2.

  • Martin Dönike: Pathos, Ausdruck und Bewegung. Zur Ästhetik des Weimarer Klassizismus 1796–1806. = Die Nachahmung des Gewaltsamen (= Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte 34 = 268). de Gruyter, Berlin u. a. 2005, ISBN 3-11-018237-8, Rezension von Reinhard Wegner online (Memento vom 11. März 2007 im Internet Archive).

  • Guillaume Faroult, Christophe Leribault, Guilhem Scherf u. a. (Hrsg.): L'Antiquité rêvée. Innovations et résistances au XVIIIe siècle. Gallimard u. a. Paris 2010, ISBN 978-2-07-013088-7, (Ausstellungskatalog zur gleichnamigen Ausstellung im Louvre vom 2. Dezember 2010 bis 14. Februar 2011).


  • Hartmut Krones: Klassizismus. In: Oesterreichisches Musiklexikon. Online-Ausgabe, Wien 2002 ff., ISBN 3-7001-3077-5; Druckausgabe: Band 2, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2003, ISBN 3-7001-3044-9.


  • Marc-Antoine Laugier: Manifest des Klassizismus. Nach dem Originaltitel „Essai sur L'architectur.“ (1753). Verlag für Architektur, Zürich u. a. 1989, ISBN 3-7608-8124-6.

  • Rolf Toman (Hrsg.): Klassizismus und Romantik. Architektur – Skulptur – Malerei – Zeichnung. Ullmann & Könemann, Köln 2006, ISBN 3-8331-1430-4.


  • Alexander Tzonis, Liane Lefaivre: Das Klassische in der Architektur. Die Poetik einer Ordnung (= Bauwelt-Fundamente. Bd. 72). Vieweg, Braunschweig u. a. 1987, ISBN 3-528-08772-2.



Weblinks |



 Commons: Klassizismus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


 Wiktionary: Klassizismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen


  • Helmut Pfotenhauer, Klassizismus als Anfang der Moderne? Überlegungen zu Karl Philipp Moritz und seiner Ornamenttheorie

  • Klassizistische Werke im Museumsportal Schleswig-Holstein

  • Klassizistische Architektur im Südwesten Deutschlands auf „Baukunst Baden“

  • Sonja Steiner-Welz: Bauwerke in Deutschland: Klassizismus, Neoklassizismus, illustriert von Sonja Steiner-Welz, Mannheim 2007


  • Suche nach Klassizismus in der Deutschen Digitalen Bibliothek


  • Suche nach Klassizismus im Portal SPK digital der Stiftung Preußischer Kulturbesitz



Einzelnachweise |




  1. Johann Joachim Winckelmann: Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerey und Bildhauerkunst. 2. vermehrte Auflage. Waltherische Handlung, Dresden und Leipzig 1756, S. 2


  2. Johann Joachim Winckelmann: Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst. Zitiert nach gutenberg.spiegel.de


  3. Peter H. Feist: Französischer Impressionismus. 1860–1920. Taschen, Köln 1995, ISBN 3-8228-8702-1, S. 15–17.









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