Epitheton




Das Epitheton [.mw-parser-output .IPA a{text-decoration:none}eˈpiːtetɔn] (gr. ἐπίθετον ‚das Hinzugefügte, das später Eingeführte‘ vom Adjektiv ἐπίθετος epithetos ‚hinzugefügt, nachgestellt, zugeordnet‘; pl. Epitheta) ist ein sprachlicher Zusatz in der Form eines Attributs, meist eines Adjektivs oder einer Apposition, das daneben auch als Beiname von Herrschern oder Gottheiten (Epiklese) auftreten kann. Sein Ursprung dürfte in der epischen Literatur und Rhetorik liegen.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Rhetorik und Stilistik


  • 2 Biologie


  • 3 Literaturhinweise: Rhetorik und Stilistik


  • 4 Quellen


  • 5 Weblinks





Rhetorik und Stilistik |


Mit dem Fachausdruck Epitheton bezeichnet man in der Rhetorik beziehungsweise Stilistik das Hinzufügen eines im Satzzusammenhang nicht unbedingt erforderlichen Attributs, wie etwa im Ausdruck „die grüne Wiese“. Der semantische Gehalt einer Beifügung hängt dabei nicht unwesentlich vom jeweiligen Kontext ab. So kann etwa „die grüne Wiese“ einer „trockenen, gelben Wiese“ gegenübergestellt werden, wodurch das Epitheton „grün“ zu einer die Sache betreffenden Charakterisierung wird. Gerhart Hauptmann lässt in seinem Stück Vor Sonnenaufgang (1889) Hoffmann gegen Ende des dritten Akts sagen: „Ich sage dir also: daß ich dein Auftreten hier – gelinde gesprochen – für fabelhaft dreist halte“, worauf Loth erwidert: „Vielleicht erklärst du mir, was dich berechtigt, mich mit dergleichen Epitheta…“


Bleibt eine Wortbedeutung dagegen in ihrem Umfang unverändert durch die Attribution, so kann das Epitheton als „semantisch redundantes Beiwort mit rein schmückender Funktion“ und insofern als reine „Wiederholungsfigur“ aufgefasst werden, durch die „der Wortsinn […] nicht erweitert, sondern lediglich akzentuiert wird“. Als Beispiel kann der Ausdruck vom „blinden Despotismus“ dienen, in dem die Blindheit als dem Despotismus bereits immanente Eigenschaft hingestellt wird.[1] Dieser in Literatur und Rhetorik bedeutende Typ wird auch als Epitheton ornans (pl. Epitheta ornantia, von lat. ornare ‚schmücken‘) bezeichnet, mithin als entbehrlicher, nur schmückender Zusatz zum Hauptwort. Als Beispiel mag blühende Wiese im Gegensatz zu grüne Wiese dienen. Insbesondere wurde dieser Begriff des schmückenden Epithetons von den klassischen Philologen gebraucht, um die seit Homer in der epischen bzw. episierenden Sprache zahlreich vorkommenden konventionellen Attribute bei Götter- und Heldennamen, aber auch bei gewöhnlichen Gegenständen zu bezeichnen, so: „die kuhäugige Hera“, „die rosenfingrige Eos“, „der listenreiche Odysseus“, „die wolletragenden Schafe“. Diese Wortverbindungen sind nicht zuletzt den Erfordernissen des epischen Hexameters zu verdanken und dienen der vollklingenden Ausfüllung eines Verses.


Auf einem mittleren Punkt zwischen beiden Varianten befinden sich feststehende Epitheta, die der Charakterisierung, Individualisierung oder auch der Bewertung eines Menschen oder einer Sache dienen, wie etwa als weite Apposition bei „Iwan der Schreckliche“ oder „Land der tausend Seen“. Diejenigen epischen Epitheta, die „unabhängig von der jeweiligen Situation eine unveränderliche Eigenschaft vor allem von Personen bezeichnen“ – wie „pius Aeneas“ (Vergil, Aeneis 1,305) –, heißen auch Epitheton constans (‚feststehendes Beiwort‘), z. B. .[2] Solche Epitheta constantia werden von Eric A. Havelock und anderen als ein typisches Merkmal für Mnemotechniken von präliteralen Kulturen hervorgehoben.[3]


Auch die feststehenden Beinamen insbesondere antiker Herrscher werden als Epitheta bezeichnet. Beispiele sind neben „der Große“ (megas bzw. magnus) zum Beispiel „der Wohltäter“ (euergetes), „der Städtezertrümmerer“ (poliorketes), „der Unbesiegbare“ (invictus) oder „der Fromme“ (pius).



Biologie |


In der Botanik bezeichnet der Ausdruck „Epitheton“ allgemein nomenklatorisch den von Carl von Linné eingeführten zweiten Teil des wissenschaftlichen Namens einer Art von Lebewesen (siehe Nomenklatur in der Biologie). Der wissenschaftliche Name setzt sich hier zusammen aus einer Bezeichnung für die Gattung sowie einem artspezifischen Epitheton (Epitheton specificum). Beispielsweise bezeichnet bei der Rotbuche (Fagus sylvatica) der Namensteil Fagus die zutreffende Gattung, während sylvatica das Epitheton der Art ist. Die Namenszusätze bei intraspezifischen Rangstufen wie Varietät, Sorte, Gruppe und Grex werden ebenfalls als Epitheta bezeichnet.


In der Zoologie aber wurde der Ausdruck „Epitheton“ als Bezeichnung für einen nomenklatorischen Begriff weder unter die relevanten Begriffsbezeichnungen des englischsprachigen Nomenklaturcode (ICZN Code) aufgenommen, noch ist er in dessen deutschsprachiger Entsprechung als Terminus zu finden; stattdessen taucht hier der Ausdruck „Artname“ auf.


Doch dieses Wort Artname ist – anders als sein Pendant im englischen ICZN-Code – zweideutig, ein Homonym, denn es steht sowohl für den Begriff des gesamten, aus den beiden Namensteilen für Gattung und Art bestehenden, Namens der Tierart (englisch species name oder name of a species) – beispielsweise Homo sapiens –, als auch für den Begriff des spezifizierenden zweiten Teils eines solchen Namens (englisch specific name) – in diesem Beispiel sapiens. Daher werden für letzteren Begriff die Ausdrücke, Epithetum specificum oder Epitheton specificum gelegentlich auch heute noch informell in der deutschsprachigen zoologischen Literatur verwendet.[4]
Inzwischen ist der Ausdruck „Artzusatz“ gebräuchlich, um Verwechselungen zu vermeiden, ohne lateinische Worte zu verwenden.



Literaturhinweise: Rhetorik und Stilistik |




  • Heinrich Lausberg: Handbuch der literarischen Rhetorik. Eine Grundlegung der Literaturwissenschaft. Hueber, München 1960 (³1990), Bd. 1, §§ 676–685.


  • Josef Martin: Antike Rhetorik. Technik und Methode (HdAW II.3). C. H. Beck, München 1974, S. 264, 307f.

  • Paolo Vivante: The Epithets in Homer. A Study in Poetic Values. Harvard UP, New Haven und London 1982.


  • Gert Ueding und Bernd Steinbrink: Grundriß der Rhetorik. Geschichte · Technik · Methode. Metzler, Stuttgart ²1986, S. 270.

  • Lisa Gondos: Epitheton. In: Gert Ueding (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik. WBG, Darmstadt 1992–2012, Bd. 2 (1994), Sp. 1314–1316.



Quellen |




  1. Urs Meyer: Stilistische Textmerkmale. In: Thomas Anz (Hrsg.): Handbuch Literaturwissenschaft. Bd. 1: Gegenstände und Grundbegriffe. Metzler, Stuttgart und Weimar 2007, S. 95.


  2. Manfred Landfester: Einführung in die Stilistik der griechischen und lateinischen Literatursprachen. WBG, Darmstadt 1997, S. 111.


  3. Für eine kurze Einführung: Walter Ong: Oralität und Literalität. Die Technologisierung des Wortes. Westdeutscher Verlag, Opladen 1987, ISBN 3-531-11768-8, S. 24–30.


  4. Gerhard Becker: Kompendium der zoologischen Nomenklatur. Termini und Zeichen, erläutert durch deutsche offizielle Texte. In: Senckenbergiana Lethaea. Bd. 81, Nr. 1, 2001, ISSN 0037-2110, S. 3–16, hier S. 10 („epithetum specificum“), S. 12 („epitheton specificum“).



Weblinks |



 Wiktionary: Epitheton – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen


  • Erklärung von botanischen Artnamen bei der Professur für Forstbotanik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg








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