Kantonsregierung




Eine Kantonsregierung ist die Regierung bzw. Exekutive eines Kantons der Schweizerischen Eidgenossenschaft. In der Deutschschweiz herrscht für Kantonsregierungen die Bezeichnung Regierungsrat vor, in der Romandie und im Tessin heissen sie meist Conseil d’État beziehungsweise Consiglio di Stato.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Wahl und Abberufung


    • 1.1 Wahlmodus


    • 1.2 Abberufungsrecht




  • 2 Zusammensetzung


  • 3 Bezeichnungen


  • 4 Übersicht


  • 5 Literatur


  • 6 Einzelnachweise


  • 7 Siehe auch





Wahl und Abberufung |



Wahlmodus |


Eine Kantonsregierung wird in der Regel alle vier Jahre vom Volk gewählt. Ausnahmen bilden die Kantone Freiburg, Waadt und Genf mit fünf Jahren sowie der Kanton Appenzell Innerrhoden mit einem Jahr. Die Wahl der Kantonsregierung findet meistens gleichzeitig mit der Wahl zum Kantonsparlament statt. Die Amtsdauer entspricht daher in der Regel der Legislaturperiode. Die meisten Kantone wählen ihre Regierung nach dem Majorzwahlsystem, d. h., es werden Persönlichkeiten und nicht Parteilisten gewählt. Im Kanton Tessin gilt hingegen das Proporzwahlsystem; dasselbe war bis 2013 im Kanton Zug der Fall.


Für das Amt des Regierungspräsidenten, einem je nach Kanton nicht nur rein repräsentativen Amt, gelten Amtsdauern zwischen einem und fünf Jahren. Sie werden ebenfalls unterschiedlich gewählt: In fünf Kantonen werden sie direkt vom Volk gewählt, andernorts vom Parlament, während sich in einigen Kantonen die Regierung selber konstituiert.[1]



Abberufungsrecht |


Seit dem 19. Jahrhundert kann nach den Grundsätzen der Demokratischen Bewegung die Kantonsregierung in mehreren Kantonen mittels Volksinitiative vorzeitig abberufen werden.[2] Diesem Recht kommt faktisch kaum Bedeutung zu, da die ordentlichen Legislaturperioden mit meist vier Jahren nicht übermässig lang sind. Entsprechende Initiativen wurden denn auch nur ganz selten ergriffen und scheiterten jedes Mal in der Volksabstimmung.


Die benötigten Unterschriftenzahlen sind:



  • im Kanton Bern (Recht eingeführt 1869) mindestens 30'000 Unterschriften;[3]

  • im Kanton Uri (Recht eingeführt 1888) mindestens 600 Unterschriften;

  • im Kanton Schaffhausen (Recht eingeführt 1876) mindestens 1000 Unterschriften;

  • im Kanton Solothurn (Recht eingeführt 1869) mindestens 6000 Unterschriften;

  • im Kanton Thurgau (Recht eingeführt 1869) mindestens 20'000 Unterschriften;

  • im Kanton Tessin (Recht eingeführt 1892) mindestens 15'000 Unterschriften.


Anlässlich jüngerer Totalrevisionen der Kantonsverfassungen wurde das Abberufungsrecht in verschiedenen Kantonen wieder abgeschafft, nämlich im Kanton Aargau 1980, im Kanton Basel-Landschaft 1984 und im Kanton Luzern 2007.


Im Kanton Neuenburg wurde hingegen 2014 die Kantonsverfassung um einen neuen Artikel 50a ergänzt, wonach Mitglieder des Staatsrates sowie der Gerichte und die neuenburgischen Ständeräte nach Massgabe der Gesetzgebung vorzeitig abberufen werden können. Gemäss den gleichzeitig erlassenen Bestimmungen im Gesetz über die Mitglieder des Grossen Rates kann dieser mit einer Dreiviertelmehrheit ein Mitglied des Staatsrates abberufen.



Zusammensetzung |


Die Anzahl Mitglieder beträgt heute in allen Kantonen entweder fünf oder sieben Mitglieder, bis ins letzte Viertel des 20. Jahrhunderts hatten einige Kantonsregierungen (Bern, Nidwalden, Appenzell Innerrhoden) neun Mitglieder.


Der Vorsitzende der Kantonsregierung (Regierungspräsident, Landammann, Staatsratspräsident) hat in der Regel keine markant weiterreichenden Befugnisse als die übrigen Regierungsmitglieder, sondern ist lediglich ein zumeist auf ein Amtsjahr gewählter Primus inter pares. Wie der Bundesrat, die Regierung auf nationaler Ebene, folgen die Kantonsregierungen dem Kollegialitätsprinzip.


Im Rahmen einiger in jüngerer und jüngster Zeit stattgefundenen Verfassungsrevisionen wurde in den Kantonen Basel-Stadt, Waadt und Genf die Amtsdauer des Regierungspräsidenten allerdings auf die ganze Amtsdauer des Regierungsrates, mithin auf vier bzw. fünf Jahre, erstreckt. Uri, Schwyz, Glarus, Zug, Appenzell Innerrhoden kennen eine Zweijahreslösung. Auch Appenzell Ausserrhoden hat seine 1998 eingeführte vierjährige Amtszeit des Landammanns 2015 wieder auf zwei Jahre reduziert.



Bezeichnungen |


Aus historischen Gründen lautet die Bezeichnung der Kantonsregierungen und ihrer Mitglieder von Kanton zu Kanton unterschiedlich. In der Deutschschweiz herrscht heute die Bezeichnung Regierungsrat vor, hiervon ausgenommen sind Regierung in den Kantonen St. Gallen (bis 2001 Regierungsrat) und Graubünden (bis 1971 Kleiner Rat) und Standeskommission im Kanton Appenzell Innerrhoden. In der Romandie gilt verbreitet Conseil d’État beziehungsweise in Tessin Consiglio di Stato, was in den zweisprachigen Kantonen Freiburg und Wallis deutsch mit Staatsrat wiedergegeben wird; im Kanton Jura heisst die Exekutive Gouvernement (Regierung), und im französischen Kantonsteil von Bern wird Regierungsrat mit Conseil-exécutif übersetzt.


Für den Vorsitzenden oder die Vorsitzende herrscht in ländlichen deutschsprachigen Kantonen die Bezeichnung Landammann vor, in städtischen Regierungspräsident. Für Landammann gibt es in der Regel keine weibliche Form; es wird die Bezeichnung Frau Landammann verwendet. Die weiblichen Formen für Regierungsrat, die Regierungsrätin, sowie für Regierungspräsident, die Regierungspräsidentin, sind hingegen üblich. Der Kanton Luzern kannte mit den Begriffen Schultheiss und Statthalter bis 2007 noch alte historische Bezeichnungen für den Vorsteher des Regierungsrates bzw. seinen Stellvertreter. In der Helvetischen Republik bestand die übliche Verwaltung aus einem Regierungsstatthalter mit der Verwaltungskammer, Unterstatthaltern in den Distrikten sowie Agenten in den Gemeinden.


Die Ministerien werden je nach Kanton Departemente oder Direktionen genannt, die Regierungsräte als deren Vorsteher Direktoren, also beispielsweise Bildungsdirektor oder Justiz- und Polizeidirektor, im Kanton Jura Minister (das Wort «ministère» ‚Ministerium‘ wird jedoch nicht verwendet, sondern stattdessen «département»).


Eine terminologische und wahlrechtliche Ausnahme bildet die Regierung des Kantons Appenzell Innerrhoden, die Standeskommission genannt wird. Ihre Mitglieder tragen dabei departementsabhängige, historisch hergeleitete Titel, die teilweise sonst nirgends in der Schweiz gebräuchlich sind. Geleitet wird die Regierung vom regierenden Landammann. Sein Stellvertreter ist der Stillstehende Landammann, der ihn nach zwei Jahren ablöst. Ein weiterer Regierungsrat ist der Statthalter. Unter diesen dreien werden die Departemente (Ministerien) «Volkswirtschaft», «Erziehung» und «Gesundheit und Soziales» von der Standeskommission aufgeteilt. Der Vorsteher des Finanzdepartements heisst Säckelmeister. Der Landeshauptmann steht dem Land- und Forstwirtschaftsdepartement vor, der Bauherr dem Bau- und Umweltdepartement und der Landesfähnrich dem Justiz-, Polizei- und Militärdepartement. Letztgenannte werden von der Landsgemeinde direkt in ihre Funktion gewählt.



Übersicht |








































































































































































































































































































































Kanton
Regierung
Mitglied
Anzahl
Wahlinstanz
Vorsitz
J.
Wahlinstanz
Stellvertreter
Ehem.

Kanton ZürichKanton Zürich Zürich

Regierungsrat
Regierungsrat
7
Volk
(Majorzwahl)
Regierungspräsident
1
Regierung
Vizeregierungspräsident

Liste

Kanton BernKanton Bern Bern

Regierungsrat
Conseil exécutif
Regierungsrat
Conseiller exécutif
7
Volk
(Majorzwahl)
Regierungspräsident
Président du Conseil executif
1
Parlament
Regierungsvizepräsident
Vice-président du Conseil executif

Liste

Kanton LuzernKanton Luzern Luzern

Regierungsrat
Regierungsrat
5
Volk
(Majorzwahl)
Regierungspräsident
(bis 2007: Schultheiss) → Liste
1
Parlament
Vizepräsident
(bis 2007: Statthalter)

Liste

Kanton UriKanton Uri Uri

Regierungsrat
Regierungsrat
7
Volk
(Majorzwahl)
Landammann
2
Volk
(Wahl)
Landesstatthalter

Liste

Kanton SchwyzKanton Schwyz Schwyz

Regierungsrat
Regierungsrat
7
Volk
(Majorzwahl)
Landammann
2
Parlament
Landesstatthalter

Liste

Kanton ObwaldenKanton Obwalden Obwalden

Regierungsrat
Regierungsrat
5
Volk
(Majorzwahl)
Landammann
1
Parlament
Landstatthalter

Liste

Kanton NidwaldenKanton Nidwalden Nidwalden

Regierungsrat
Regierungsrat
7
Volk
(Majorzwahl)
Landammann
1
Parlament
Landesstatthalter

Liste

Kanton GlarusKanton Glarus Glarus

Regierungsrat
Regierungsrat
5
Volk
(Majorzwahl)
Landammann
2
Volk
(Landsgemeinde)
Landesstatthalter

Liste

Kanton ZugKanton Zug Zug

Regierungsrat
Regierungsrat
7
Volk
(Majorzwahl)
Landammann
2
Parlament
Statthalter

Liste

Kanton FreiburgKanton Freiburg Freiburg

Conseil d’État
Staatsrat
Conseiller d’État
Staatsrat
7
Volk
(Majorzwahl)
Président du Conseil d’État
Staatsratspräsident
1
Parlament
Vice-président du Conseil d’État
Staatsratsvizepräsident

Liste

Kanton SolothurnKanton Solothurn Solothurn

Regierungsrat
Regierungsrat
5
Volk
(Majorzwahl)
Landammann
1
Regierung
Vize-Landammann

Liste

Kanton Basel-StadtKanton Basel-Stadt Basel-Stadt

Regierungsrat
Regierungsrat
7
Volk
(Majorzwahl)
Regierungspräsident
4
Volk
Regierungsvizepräsident

Liste

Kanton Basel-LandschaftKanton Basel-Landschaft Basel-Landschaft

Regierungsrat
Regierungsrat
5
Volk
(Majorzwahl)
Regierungspräsident
1
Parlament
Vizepräsident

Liste

Kanton SchaffhausenKanton Schaffhausen Schaffhausen

Regierungsrat
Regierungsrat
5
Volk
(Majorzwahl)
Regierungspräsident
1
Parlament
Regierungsvizepräsident

Liste

Kanton Appenzell AusserrhodenKanton Appenzell Ausserrhoden Appenzell Ausserrhoden

Regierungsrat
Regierungsrat
7
Volk
Landammann
2
Volk
(Majorzwahl)
Landammann-Stellvertreter

Liste

Kanton Appenzell InnerrhodenKanton Appenzell Innerrhoden Appenzell Innerrhoden

Standeskommission
Regierungsrat
7
Volk
(Landsgemeinde)
Regierender Landammann
2
Volk
(Landsgemeinde)
Stillstehender Landammann

Liste

Kanton St. GallenKanton St. Gallen St. Gallen

Regierung
Regierungsrat
7
Volk
(Majorzwahl)
Regierungspräsident
1
Parlament


Liste

Kanton GraubündenKanton Graubünden Graubünden

Regierung
Regenza
Governo
Regierungsrat
Cusseglier Guvernativ
Consigliere di Stato
5
Volk
(Majorzwahl)
Regierungspräsident
President da la Regenza
Presidente del Governo
1
Parlament
Regierungsvizepräsident
Vicepresident da la Regenza
Vicepresidente del Governo

Liste

Kanton AargauKanton Aargau Aargau

Regierungsrat
Regierungsrat 
5
Volk
(Majorzwahl)
Landammann
1
Regierung
Landstatthalter

Liste

Kanton ThurgauKanton Thurgau Thurgau

Regierungsrat
Regierungsrat
5
Volk
(Majorzwahl)
Regierungsratspräsident
1
Parlament
Regierungsratsvizepräsident

Liste

Kanton TessinKanton Tessin Tessin

Consiglio di Stato
(Staatsrat)
Consigliere di Stato
(Staatsrat)
5
Volk
(Proporzwahl)
Presidente del Consiglio di Stato
1
Parlament
Vicepresidente del Consiglio di Stato

Liste

Kanton WaadtKanton Waadt Waadt

Conseil d’État
(Staatsrat)
Conseiller d’État
(Staatsrat)
7
Volk
(Majorzwahl)
Président du Conseil d’État
5
Regierung
Vice-président du Conseil d’État

Liste

Kanton WallisKanton Wallis Wallis

Conseil d’État
Staatsrat
Conseiller d’État
Staatsrat
5
Volk
(Majorzwahl)
Président du Conseil d’État
Staatsratspräsident
1
Regierung
Vice-président du Conseil d’État
Staatsratsvizepräsident

Liste

Kanton NeuenburgKanton Neuenburg Neuenburg

Conseil d’État
(Staatsrat)
Conseiller d’État
(Staatsrat)
5
Volk
(Majorzwahl)
Président du Conseil d’État
1
Regierung
Vice-président du Conseil d’État

Liste

Kanton GenfKanton Genf Genf

Conseil d’État
(Staatsrat)
Conseiller d’État
(Staatsrat)
7
Volk
(Majorzwahl)
Président du Conseil d’État
5
Regierung
Vice-président du Conseil d’État

Liste

Kanton JuraKanton Jura Jura

Gouvernement
(Regierung)
Ministre
(Minister)
5
Volk
(Majorzwahl)
Président du Gouvernement
1
Parlament
Vice-président du Gouvernement

Liste

Die Nennung der Kantone erfolgt in der offiziellen Reihenfolge (gem. Art. 1 der Bundesverfassung und Kantonsnummer).Die Liste ist mit aktiviertem JavaScript sortierbar.



Literatur |



  • Andreas Auer: Staatsrecht der schweizerischen Kantone. Stämpfli, Bern 2016, ISBN 978-3-7272-3217-6.


Einzelnachweise |




  1. Primus inter pares oder Leithammel? 27. Oktober 2017


  2. Peter Jankovsky: Der Versuch, eine Exekutive zu stoppen, in: Neue Zürcher Zeitung vom 22. März 2011, S. 13.


  3. Art. 57 Berner Kantonsverfassung



Siehe auch |



  • Kantonsparlament

  • Politisches System der Schweiz


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