Christlichdemokratische Volkspartei
Christlichdemokratische Volkspartei | |
---|---|
Gründungsdatum: | 22. April 1912 (als Schweizerische Konservative Volkspartei) |
Gründungsort: | Ruswil |
Ideologie: | Christdemokratie Wertkonservativismus[1] |
Präsidium: | Gerhard Pfister |
Vizepräsidium: | Ida Glanzmann |
Generalsekretär: | Béatrice Wertli |
Mitglieder im Bundesrat: | Doris Leuthard |
Mitglieder: | 100'000[2] (Stand: 2014) |
Frauenanteil: | im Nationalrat: 33,3 % im Ständerat: 7,7 % (Stand: NR-Wahlen 2015) |
Wähleranteil: | 11,6 %[3] (Stand: NR-Wahlen 2015) |
Nationalrat: | 27/200 |
Ständerat: | 13/46 |
Fraktion (BV): | CVP/EVP-Fraktion |
Fraktionspräsident: | Filippo Lombardi |
Kantonale Parlamente: | 426/2609 (Stand: April 2017) |
Kantonale Regierungen: | 40/154 (Stand: Mai 2017) |
Gruppierungen: | CVP Frauen Junge CVP Christlichsoziale Partei Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Gesellschaft Forum politique suisse Forum de l’entreprise |
Hausanschrift: | Hirschengraben 9 3011 Bern |
Internationale Verbindungen: | Christlich Demokratische Internationale |
Europapartei: | Europäische Volkspartei (assoziiert) |
Website: | www.cvp.ch |
Die Christlichdemokratische Volkspartei der Schweiz (CVP Schweiz), französisch Parti démocrate-chrétien (PDC), italienisch Partito popolare democratico svizzero (PPD), rätoromanisch , ist eine in der politischen Mitte positionierte Regierungspartei in der Schweiz. Ihre Wurzeln hat sie in einer konservativ-katholischen Volksbewegung. Sie wurde 1912 als Schweizerische Konservative Volkspartei (KVP) gegründet, die Katholisch-Konservativen waren damit erstmals in einer formellen gesamtschweizerischen Organisation verbunden, die 1919 einen zweiten Sitz im Bundesrat erhielt.
Inhaltsverzeichnis
1 Inhaltliches Profil
2 Struktur
2.1 Politische Leitung
2.1.1 Delegiertenversammlung
2.1.2 Parteivorstand
2.1.3 Präsidium
2.1.4 Generalsekretariat
2.2 Presseorgane
2.3 Vereinigungen der CVP
2.4 Kantonalsektionen
3 Geschichte
3.1 Katholiken im Kulturkampf
3.2 Katholisch-Konservative in der Zwischenkriegszeit
3.3 Blüte in den Fünfzigerjahren und Erneuerung
3.4 Rückgang des Wähleranteils und Verlust eines Bundesratssitzes
3.5 Jüngere Entwicklungen
4 Personen
4.1 Parteipräsidenten
4.2 Fraktionspräsidenten
4.3 Generalsekretäre
5 Bundesräte
6 Literatur
7 Weblinks
8 Einzelnachweise
Inhaltliches Profil |
Die CVP bezeichnet sich in ihrem Parteiprogramm als liberal-sozial, wobei sie im Sinne der sogenannten sozialen Marktwirtschaft liberale Grundsätze mit der Gewährleistung von sozialen Grundrechten verbinden will. Die CVP sieht sich als Vertreterin für Familien sowie kleine und mittlere Unternehmen. Ausserdem will sie den Mittelstand stärken.
Die Expansion der Partei in die reformierten Kantone, in denen die CVP eine aus ihrer Sicht soziale und liberale Politik betreibt, steht der traditionellen Rolle der CVP als staatstragender Partei in den katholischen Stammlanden (Zentralschweiz, Wallis, Tessin) gegenüber; dort besteht die Wählerbasis noch immer aus eher konservativen Bürgern. Ein weiterer Grund ist die Dominanz der Partei in den Stammlanden – im Kanton Luzern stellte sie bis ins Jahr 2005 drei von fünf Mitgliedern der Regierung, im Wallis ist es immer noch so –, die zu einem Konsenskurs zwingt.
Struktur |
Die Christlichdemokratische Volkspartei hat die Rechtsform eines eingetragenen Politischen Verein. Sie ist in 26 Kantonalparteien gegliedert und hat insgesamt 100.000 Mitglieder.
Politische Leitung |
Delegiertenversammlung |
Höchstes Organ auf Bundesebene ist die Delegiertenversammlung. Der Parteitag besteht aus den Delegierten der Kantonalparteien und tritt mindestens zweimal jährlich zusammen. Seine Aufgaben sind insbesondere die Beschlussfassung über die Grundlinien der Parteipolitik, das Parteiprogramm und die Satzung sowie die Wahl und Kontrolle der Funktionsträger auf Bundesebene.
Parteivorstand |
Das leitende sowie vollziehende Organ der Bundespartei ist der Parteivorstand. Diesem gehören 68 Mitglieder an und setzt sich zusammen aus den Mitgliedern des Parteipräsidiums, fünf Mitgliedern der Fraktion, zwei Personen pro anerkannte Vereinigung sowie je einer Frau und einem Mann pro Kantonalpartei.
Präsidium |
Die Erledigung der laufenden Geschäfte und Fragen wirtschaftlicher Betätigung der Partei ist Aufgabe des Präsidiums der Partei, dem neben dem Parteipräsidenten und seinen Stellvertretern, dem Präsidenten der CVP-EVP-Fraktion sieben von der Delegiertenversammlung gewählte Mitglieder angehören.
Parteipräsident | Gerhard Pfister |
Vize-Präsident/in | Ida Glanzmann-Hunkeler |
Präsident der CVP-EVP-Fraktion | Filippo Lombardi |
Weitere Mitglieder des Präsidiums | Pirmin Bischof, Martin Candinas, Marianne Binder-Keller, Stefan Müller-Altermatt, Elisabeth Schneider-Schneiter, Tino Schneider, Anne Seydoux-Christe[4] |
Generalsekretariat |
Die parteiinterne Verwaltung und Organisation obliegt dem Generalsekretariat, das seinen Sitz am Hirschengraben in Bern hat. Das Generalsekretariat leiten die Generalsekretärin Béatrice Wertli, der Geschäftsführer Moritz Segna und der Kommunikations-Chef Thomas Jauch.
Presseorgane |
Mit dem Ende der parteigebundenen Medienerzeugnissen in der Schweiz gab die CVP ab den 1970er Jahren, ein eigenes Heft heraus. In den 1980er Jahren vertrieb die Partei das CVP Magazin, auf welches das CVP-Blatt Gazette folgte. Dieses wurde durch das Presseorgan Die Politik, nach eigener Darstellung das „Meinungsmagazin des politischen Zentrums“ und der politischen Meinungsbildung, abgelöst. Es erscheinen monatlich Themahefte. Weitere Beiträge zu aktuellen Aspekten des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Geschehens runden die Zeitschrift ab. Die Politik erscheint seit 2005 auf deutsch und französisch (La Politique) mit einer beglaubigten Auflage von rund 11'000 Exemplaren.
Vereinigungen der CVP |
Die CVP hat folgende Vereinigungen:
- CVP Frauen
- Junge CVP
- Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Arbeit (AWG)
- Arbeitgeberverband
- Forum de l’entreprise
- Forum politique
Christlichsoziale Partei (CSP).
Kantonalsektionen |
Kantonalsektion | Präsident | Resultate Nationalratswahlen 2015 | Mandate im Nationalrat | Resultate Ständeratswahlen 2011[Anmerkung 1] | Mandate im Ständerat |
---|---|---|---|---|---|
CVP Kanton Aargau | Marianne Binder-Keller | 8,6 % | Ruth Humbel Näf | 000000000000017.300000000017,3 % | - |
CVP Kanton Appenzell Ausserrhoden | Claudia Frischknecht | 0- | - | 0- | - |
CVP Kanton Appenzell Innerrhoden | Ruedi Angehrn | 76,3 % | Daniel Fässler | 0Landsgemeinde[Anmerkung 2] | Ivo Bischofberger |
CVP Kanton Basel-Landschaft | Brigitte Müller-Kaderli | 9,1 % | Elisabeth Schneider-Schneiter | 0- | - |
CVP Kanton Basel-Stadt | Andrea Strahm | 6,4 % | - | 0- | - |
CVP Kanton Bern | Alexandra Perina-Werz | 1,8 % | - | 0- | - |
CVP Kanton Freiburg | André Schoenenweid | 22,7 % | Dominique de Buman Christine Bulliard-Marbach | 000000000000038.300000000038,3 % | Beat Vonlanthen |
CVP Kanton Genf | Sébastien Desfayes | 12,1 % | Guillaume Barazzone | 000000000000025.800000000025,8 % | - |
CVP Kanton Glarus | Peter Landolt-Fischli | 0- | - | 0- | - |
CVP Kanton Graubünden | Stefan Engler | 16,8 % | Martin Candinas | 000000000000081.200000000081,2 % | Stefan Engler |
CVP Kanton Jura | Martial Courtet | 27,6 % | Jean-Paul Gschwind | 000000000000045.100000000045,1 %[Anmerkung 3] | Anne Seydoux-Christe |
CVP Kanton Luzern | Christian Ineichen | 23,9 % | Andrea Gmür Ida Glanzmann-Hunkeler Leo Müller | 000000000000048.700000000048,7 % | Konrad Graber |
CVP Kanton Neuenburg | Vincent Pahud | 3,6 % | - | 000000000000003.40000000003,4 % | - |
CVP Kanton Nidwalden | Therese Rotzer | 0- | - | 000000000000042.600000000042,6% | - |
CVP Kanton Obwalden | Christoph Amstad-Bucher Bruno von Rotz | 65,5 % | Karl Vogler (CSP) | 000000000000044.800000000044,8 % | Erich Ettlin |
CVP Kanton Schaffhausen | Marco Rutz | 0- | - | 0- | - |
CVP Kanton Schwyz | Andreas Meyerhans | 19,5 % | Alois Gmür | 000000000000027.800000000027,8 % | - |
CVP Kanton Solothurn | Sandra Kolly-Altermatt | 14,8 % | Stefan Müller-Altermatt | 000000000000057.500000000057,5 % | Pirmin Bischof |
CVP Kanton St. Gallen | Patrick Dürr | 16,6 % | Thomas Ammann Nicolo Paganini Markus Ritter | 000000000000011.000000000011,0 % | - |
CVP Kanton Tessin | Giovanni Jelmini | 20,1 % | Fabio Regazzi Marco Romano | 000000000000038.200000000038,2 % | Filippo Lombardi |
CVP Kanton Thurgau | Gallus Müller | 13,1 % | Christian Lohr | 000000000000071.100000000071,1 % | Brigitte Häberli-Koller |
CVP Kanton Uri | Frieda Steffen | 26,8 % | - | 000000000000083.100000000083,1 % | Isidor Baumann |
CVP Kanton Waadt | Claude Béglé Axel Marion | 4,1 % | Claude Béglé | 000000000000005.60000000005,6 % | - |
CVP Kanton Wallis[Anmerkung 4] | Anton Andenmatten (Oberwallis) Serge Metrailler (Unterwallis) | 39,8 % | Thomas Egger Benjamin Roduit Viola Amherd Géraldine Marchand-Balet | 000000000000037.400000000037,4 % | Jean-René Fournier Beat Rieder |
CVP Kanton Zug | Martin Pfister | 26,4 % | Gerhard Pfister | 000000000000062.300000000062,3 % | Peter Hegglin |
CVP Kanton Zürich | Nicole Baradun-Gross | 4,2 % | Barbara Schmid-Federer Kathy Riklin | 000000000000008.60000000008,6 % | - |
- Anmerkungen
↑ 1. Wahlgang. Bei mehreren Kandiderenden: Anteil des/der Bestplatzierten.
↑ Landsgemeinde. Abstimmung mit offenem Handmehr
↑ Proporz
↑ Die Kantonalpartei gliedert sich in vier Untersektionen: CVP Oberwallis, CVP Mittelwallis, CVP Unterwallis sowie CSP Oberwallis
Geschichte |
Katholiken im Kulturkampf |
Im Gasthaus Rössli in Ruswil unterzeichneten Vertreter einer konservativen Volksbewegung 1840 unter Bauernführer Josef Leu von Ebersol die Ruswiler Erklärung, die sich gegen den liberalen Zeitgeist wandte. Wenig später wurde im selben Wirtshaus der «Ruswiler Verein» gegründet, aus dem später die Katholisch-Konservative Partei wurde, die im gesamten 19. Jahrhundert im Kulturkampf eine kirchenfreundliche und in der nationalstaatlichen Frage eine föderalistische Haltung einnahm. Die Katholisch-Konservativen unterlagen im Sonderbundskrieg von 1847 und befanden sich im 1848 gegründeten Bundesstaat nachfolgend in deutlicher Opposition zur liberalen Mehrheit.[5]
In Gegensatz zur Lage im Gesamtstaat dominierten die Katholisch-Konservativen die Politik in den ländlich-katholischen Kantonen der Innerschweiz, im Wallis und im Kanton Freiburg, während sie sich im Tessin einen langwierigen Machtkampf mit den Liberalen lieferten. Wie die Liberalen besassen die Katholisch-Konservativen weder ein formelles Organisationsstatut noch ein Programm. 1882 erfolgte die offizielle Gründung der Fraktion. Die Gründungsversuche einer nationalen Partei (1874 «Association conservatrice suisse» durch Abbé Joseph Schorderet und Theodor Scherer-Boccard, 1881 «Konservative Union» durch Josef Zemp und Julius Schnyder von Wartensee, 1894 «Katholische Volkspartei» durch Anton Augustin und Ernst Feigenwinter) scheiterten jedoch jahrzehntelang an der föderalistischen Struktur der Schweiz und den Differenzen im katholisch-konservativen Lager.[6]
Der Prozess der Einbindung der Katholisch-Konservativen in den liberalen Bundesstaat begann Ende des 19. Jahrhunderts. Nach mehreren Abstimmungssiegen der Katholisch-Konservativen, die sie in unterschiedlichen Allianzen errungen hatten, erkannten die Liberalen und Radikalen, dass sich ihre Isolierungspolitik nicht mehr aufrechterhalten liess. Ausserdem bevorzugten sie mit dem Erstarken der Sozialdemokratie einen Schulterschluss der bürgerlichen Kräfte. Am 17. Dezember 1891 wurde schliesslich mit Josef Zemp zum ersten Mal ein Katholisch-Konservativer in den Bundesrat gewählt. Eine weitere wichtige Entwicklung der Jahrhundertwende war, dass neben dem traditionellen ländlich-katholischen Flügel ein christlichsozialer Arbeitnehmerflügel entstand, der besonders viel Unterstützung bei Katholiken fand, die in protestantische Kantone ausgewandert waren, in denen sich die Partei somit erstmals etablieren konnte.[6]
Katholisch-Konservative in der Zwischenkriegszeit |
Wahl- jahr | Wähler- anteil | Nationalrat | Ständerat |
---|---|---|---|
1919 | 21,0 % | 41/189 | 17/44 |
1922 | 21,0 % | 44/198 | 17/44 |
1925 | 20,9 % | 42/198 | 18/44 |
1928 | 21,4 % | 46/198 | 18/44 |
1931 | 21,4 % | 44/187 | 18/44 |
1935 | 20,3 % | 42/187 | 19/44 |
1939 | 17,0 %1 | 43/187 | 18/44 |
1943 | 20,8 % | 43/194 | 19/44 |
1947 | 21,2 % | 44/194 | 18/44 |
1951 | 22,5 % | 48/196 | 18/44 |
1955 | 23,2 % | 47/196 | 17/44 |
1959 | 23,3 % | 47/196 | 17/44 |
1963 | 23,4 % | 48/200 | 18/44 |
1967 | 22,1 % | 45/200 | 18/44 |
1971 | 20,3 % | 44/200 | 17/44 |
1975 | 21,1 % | 46/200 | 17/44 |
1979 | 21,3 % | 44/200 | 18/46 |
1983 | 20,2 % | 42/200 | 18/46 |
1987 | 19,7 % | 42/200 | 19/46 |
1991 | 18,0 % | 37/200 | 16/46 |
1995 | 16,8 % | 34/200 | 16/46 |
1999 | 15,8 % | 35/200 | 15/46 |
2003 | 14,4 % | 29/200 | 15/46 |
2007 | 14,5 % | 31/200 | 15/46 |
2011 | 12,3 % | 29/200 | 13/46 |
2015 | 11,6 % | 28/200 | 13/46 |
1 Aussagekraft begrenzt, da stille Wahl in 9 Kantonen. |
Im Jahr 1912 wurde die «Schweizerische Konservative Volkspartei» (KVP) im Hôtel Union in Luzern gegründet, die Katholisch-Konservativen waren damit erstmals in einer formellen gesamtschweizerischen Organisation verbunden, die 1919 mit Jean-Marie Musy einen zweiten Sitz im Bundesrat erhielt. Mit der Gründung des Christlichsozialen Arbeiterbundes 1919 gewann die christlichsoziale Arbeiter- und Angestelltenbewegung in der bisher bäuerlich-gewerblich und kleinstädtisch geprägten Partei an Bedeutung. In der Zwischenkriegszeit fanden innerhalb der Konservativen Volkspartei zeitweise Modelle einer «autoritären Demokratie» bis hin zu Ständestaatsgedanken eine gewisse Unterstützung. Der Höhepunkt dieser Tendenz war die sogenannte Revisionsinitiative, welche von Teilen der Katholisch-Konservativen gemeinsam mit den rechtsextremen Fronten lanciert wurde. Nach der deutlichen Ablehnung dieses Begehrens in der Volksabstimmung 1935 ebbte die korporatistische Bewegung wieder ab.[7]
Mitte der 1930er Jahre trat der Klassenkampf zwischen den Bürgerlichen und den Sozialdemokraten unter dem Druck des Faschismus in den Hintergrund und führte zu einer politischen Normalität zwischen den regierenden bürgerlichen Parteien – FDP, CVP und BGB – und den Sozialdemokraten. Im Jahr 1943 verloren die Freisinnigen die Regierungsmehrheit im Bundesrat. Im gleichen Jahr erhielt die CVP erstmals zu ihren zwei Bundesräten den Posten des Bundeskanzlers.[8]
Blüte in den Fünfzigerjahren und Erneuerung |
Getragen vom politischen Klima der Nachkriegszeit, erlebten die Konservativen in den 1950er Jahren einen Höhepunkt: Sie stellten die grösste Parlamentsdelegation ihrer Geschichte, und von 1954 bis 1958 belegte die Partei einen dritten Sitz im Bundesrat, den sie jedoch im Zuge der Einbindung der Sozialdemokratie 1959 ins Schweizerische Regierungssystem wieder abgab und sich nach der Zauberformel richtete. Mit 23,4 Prozent erreichte die Partei bei den Schweizer Parlamentswahlen 1963 das bisher beste Resultat ihrer Parteigeschichte.[9]
Im Jahr 1957 wurde die Konservative Volkspartei in «Konservativ-Christlichsoziale Volkspartei» (KCV) umbenannt, da die Landespartei je nach Kanton konservative oder christlichsoziale Kantonalparteien umfasste. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil von 1962 bis 1965 wurde innerhalb der Partei die Forderung nach Anpassung an die gewandelte Gesellschaft laut und die KCV vollzog eine programmatische Öffnung, die zu den Parteireformen von 1970/1971 führte. Die neue Mittepartei koalierte in der Sozialpolitik häufig mit den Sozialdemokraten, in der Wirtschafts- und Finanzpolitik mit den Freisinnigen, während sie in der Kultur- und Kirchenpolitik christlich-konservative Positionen vertrat.[10] Weiter wurde während der Reformen ein neuer Name für die Partei gesucht: Einige schlugen «Christlichdemokratische Union» vor, während andere Kräfte aus dem «katholischen Ghetto» ausbrechen wollten und den Namen «Schweizerische Volkspartei» vorschlugen. (Die heutige Schweizerische Volkspartei wurde erst ein Jahr später gegründet). 1970 entschied man sich schliesslich für den heutigen Namen «Christlichdemokratische Volkspartei». In den folgenden Jahrzehnten konnte die CVP ihren Stimmenanteil halten, jedoch bereitete ihr die Auflösung des katholischen Milieus, einst einigende Klammer der Partei, zunehmend Probleme.[11]
Rückgang des Wähleranteils und Verlust eines Bundesratssitzes |
Obwohl die CVP in ihren Stammlanden, den früheren Sonderbundskantonen Luzern, Freiburg, Wallis, Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden und Zug sowie (seit Beginn des 20. Jahrhunderts) im Kanton St. Gallen, eine dominante Stellung einnahm, kam es ab den 1980er Jahren zu Erosionserscheinungen, bedingt durch die Säkularisierung, die soziale Mobilität, die Wohlstandsgesellschaft sowie die Auflösung des katholischen Milieus. Die Abnahme der Stammwählerschaft führte ab 1980 zu einer stetigen Abnahme der erzielten Resultate bei den eidgenössischen Wahlen. Besonders in den 1990er und frühen 2000er Jahren wurden viele konservative Wähler aus den ländlichen Stammlanden von der national-konservativen SVP abgeworben.[10]
Bei der Bundesratswahl vom 10. Dezember 2003 wurde zudem mit der ultimativen Forderung der Schweizerischen Volkspartei auf einen zweiten Sitz für ihren Kandidaten Christoph Blocher die bisher geltende Zauberformel für die Zusammensetzung des Bundesrats gesprengt. In einer Kampfwahl wurde mit der Abwahl der amtierenden Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold erstmals seit langem wieder ein Bundesratsmitglied von der Vereinten Bundesversammlung nicht mehr bestätigt. An ihrer Stelle wurde Christoph Blocher gewählt. Damit verblieb Joseph Deiss als einziger CVP-Vertreter im Bundesrat.[12]
Jüngere Entwicklungen |
Unter der Führung ihrer Präsidentin und späteren Bundesrätin Doris Leuthard konnte die CVP Mitte der 2000er-Jahre ihren Rückgang vorübergehend aufhalten. Schweizer Medien sprachen vom Leuthard-Effekt. Bei den Schweizer Parlamentswahlen 2007 konnte die CVP ihren Stimmenanteil leicht verbessern.[13] Die CVP bildete daraufhin mit der glp und der EVP für die 48. Legislaturperiode des Nationalrates eine gemeinsame Fraktion (nachdem die glp 2011 selbst Fraktionsstärke erreichte, wurde daraus die Fraktion CVP/EVP der Bundesversammlung). Als Grundlage hierfür wurde eine Stärkung der politischen Mitte, verbunden mit einem Führungsanspruch in dieser, angeführt. In der Folge arbeitete die CVP auch in verschiedenen Kantonen und Gemeinden mit EVP und glp sowie mit der 2008 als SVP-Abspaltung gegründeten BDP zusammen.
Seit Beginn der 2010er-Jahre verliert die CVP erneut Stimmen. Bei den Schweizer Parlamentswahlen 2015 erhielt die CVP noch 11,6 % der Stimmen und gewann 27 Nationalrats- und 13 Ständeratssitze.[3]
Personen |
Parteipräsidenten |
Die folgenden Politiker waren beziehungsweise sind Parteipräsidenten der Konservativen Volkspartei, der Konservativ-Christlichsozialen Volkspartei beziehungsweise der Christlichdemokratischen Volkspartei.
Adalbert Wirz
1912–1917
Eugène Deschenaux
1917–1919
Joseph Räber
1919–1928
Ernest Perrier
1928–1932
Eduard Guntli
1932–1934
Raymond Evéquoz
1934–1935
Emil Nietlispach
1935–1940
Pierre Aeby
1940–1946
Josef Escher
1946–1950
Max Rohr
1950–1955
Jean Bourgknecht
1955–1959
Ettore Tenchio
1960–1968
Franz Josef Kurmann
1968–1973
Hans Wyer
1973–1982
Flavio Cotti
1982–1986
Eva Segmüller
1987–1992
Carlo Schmid
1992–1994
Anton Cottier
1994–1997
Adalbert Durrer
1997–2001
Philipp Stähelin
2001–2004
Doris Leuthard
2004–2006
Christophe Darbellay
2006–2016
Gerhard Pfister
seit 2016
Fraktionspräsidenten |
Die nachfolgenden Personen waren beziehungsweise sind als Fraktionspräsident Mitglied der CVP.
Alfons von Streng
1914–1919
Heinrich Walther
1919–1940
Emil Nietlispach
1940–1942
Thomas Holenstein
1942–1954
Joseph Condrau
1954–1960
Hans Fischer
1960–1963
Kurt Furgler
1963–1971
Enrico Franzoni
1971–1972
Alois Hürlimann
1972–1976
Laurent Butty
1976–1980
Arnold Koller
1980–1984
Paul Zbinden
1984–1989
Vital Darbellay
1989–1991
Peter Hess
1991–1998
Jean-Philippe Maitre
1998–2002
Jean-Michel Cina
2002–2005
Urs Schwaller
2005–2013
Filippo Lombardi
seit 2013
Generalsekretäre |
Die nachfolgenden Personen waren beziehungsweise sind als Generalsekretär Mitglied der CVP.
Paul Kubick
1921–1928
Hermann Cavelti
1928–1941
Martin Rosenberg
1941–1968
Urs C. Reinhardt
1968–1974
Hans Peter Fagagnini
1974–1988
Iwan Rickenbacher
1988–1992
Raymond Loretan
1992–1997
Hilmar Gernet
1997–2001
Reto Nause
2001–2008
Tim Frey
2008–2012
Béatrice Wertli
seit 2012
Bundesräte |
Die nachfolgenden Politiker waren beziehungsweise sind als Bundesrat Mitglied der CVP.
Josef Zemp
17. Dezember 1891 bis
17. Juni 1908
Josef Anton Schobinger
17. Juni 1908 bis
27. November 1911
Giuseppe Motta
14. Dezember 1911 bis
23. Januar 1940
Jean-Marie Musy
11. Dezember 1919 bis
30. April 1934
Philipp Etter
28. März 1934 bis
19. November 1959
Enrico Celio
22. Februar 1940 bis
23. Juni 1950
Josef Escher
14. September 1950 bis
26. November 1954
Thomas Holenstein
16. Dezember 1954 bis
20. November 1959
Giuseppe Lepori
16. Dezember 1954 bis
24. November 1959
Jean Bourgknecht
17. Dezember 1959 bis
3. September 1962
Ludwig von Moos
17. Dezember 1959 bis
31. Dezember 1971
Roger Bonvin
27. September 1962 bis
31. Dezember 1973
Kurt Furgler
8. Dezember 1971 bis
31. Dezember 1986
Hans Hürlimann
5. Dezember 1973 bis
31. Dezember 1982
Alphons Egli
8. Dezember 1982 bis
31. Dezember 1986
Arnold Koller
10. Dezember 1986 bis
30. April 1999
Flavio Cotti
10. Dezember 1986 bis
30. April 1999
Ruth Metzler-Arnold
11. März 1999 bis
31. Dezember 2003
Joseph Deiss
11. März 1999 bis
31. Juli 2006
Doris Leuthard
seit 14. Juni 2006
Literatur |
- Urs Altermatt: Der Weg der Schweizer Katholiken ins Ghetto. Die Entstehungsgeschichte der nationalen Volksorganisationen im Schweizer Katholizismus 1848–1919. 2. Auflage. Benziger, Zürich 1991, ISBN 3-545-25031-8.
- Urs Altermatt: CVP. Von der katholischen Milieupartei zur Partei der bürgerlichen Mitte. In: Die Parteien in Bewegung. Nachbarschaft und Konflikte. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2013, ISBN 978-3-03823-846-1, S. 21–48.
- Ludwig Zurbriggen: CVP und die soziale Mitte. Soziales Kapital, Koalitionen und symbolische Praxis der CVP. Rüegger, Zürich 2004, ISBN 3-7253-0762-8.
100 Jahre CVP. Festschrift zum Jubiläum. Sonderausgabe Die Politik, online, Oktober 2012.
Weblinks |
- Website der CVP
- Urs Altermatt: Christlichdemokratische Volkspartei (CVP). In: Historisches Lexikon der Schweiz.
Christlichdemokratische Volkspartei in der Archivdatenbank des Schweizerischen Bundesarchivs
Einzelnachweise |
↑ https://www.cvp.ch/de/news/2017-08-26/cvp-sommerparteitag-die-echte-volkspartei
↑ Der Bund kurz erklärt 2014. Schweizerische Bundeskanzlei, 28. Februar 2014, archiviert vom Original am 9. August 2014; abgerufen am 22. April 2014 (PDF; 14821 kB). Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bk.admin.ch
↑ ab Nationalratswahlen: Übersicht Schweiz 2015. Bundesamt für Statistik, abgerufen am 19. Oktober 2015.
↑ Parteipräsidium. CVP Schweiz, abgerufen am 6. Mai 2016.
↑ Mike Bacher: Der lange Weg zur Parteigründung. In: Die Politik (Hrsg.): Die Politik. Bern Oktober 2012, S. 4/5.
↑ ab Mike Bacher: Der lange Weg zur Parteigründung. In: Die Politik (Hrsg.): Die Politik. Bern Oktober 2012, S. 6.
↑ Rudolf Hofer: 1912. In: Die Politik (Hrsg.): Die Politik. Bern Oktober 2012, S. 7.
↑ Urs Altermatt: Christlichdemokratische Volkspartei (CVP). In: Historisches Lexikon der Schweiz., Kapitel Die CVP als Regierungspartei, abgerufen am 26. August 2013
↑ Urs Altermatt: Christlichdemokratische Volkspartei (CVP). In: Historisches Lexikon der Schweiz., abgerufen am 26. August 2013
↑ ab Urs Altermatt: Christlichdemokratische Volkspartei (CVP). In: Historisches Lexikon der Schweiz., Kapitel Verankerung und Entwicklung, abgerufen am 26. August 2013
↑ Alois Hartmann: Erneuerungsprozess. In: Die Politik (Hrsg.): Die Politik. Bern Oktober 2012, S. 13.
↑ Christlich-demokratische Volkspartei (CVP). In: Année politique Suisse. Institut für Politikwissenschaft – Universität Bern, S. 24, abgerufen am 26. August 2013 (PDF; 174 kB).
↑ Nationalratswahlen: Übersicht Schweiz 2007. Bundesamt für Statistik, abgerufen am 21. August 2013.
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